Musikalische Lesung: Pilatus

Zur Erzählung
Friedrich Dürrenmatt (1921 – 1990) geht es in der Erzählung „Pilatus“ (Aus den Papieren eines Wärters – Frühe Prosa, 1946) nicht um die Wiedergabe der biblischen Geschichte. Vielmehr beschäftigt ihn die Idee, dass Pilatus den ihm vorgeführten Gefangenen augenblicklich als Gott erkennt. Doch Pilatus’ Tragik besteht in seinem Unvermögen, sich seiner intuitiven Gotteserkenntnis gemäß zu verhalten. Der Gott, der ihm in Einfachheit und Demut begegnet, entspricht in keiner Weise seiner Vorstellung des Göttlichen. Es sind die Augen Jesu, die ihn verwirren, da sie von denjenigen idealisierter Götterstatuen vollkommen abweichen: „Sie waren nicht anders gewesen als Menschenaugen, nicht mächtiger oder von solchem Licht, wie er an griechischen Götterbildern bewunderte, auch lag nicht die Verachtung in ihnen, welche die Götter gegen die Menschen hegen […]. Es lag eine bedingungslose Unterwerfung in diesen Augen, die aber eine heimtückische Verstellung sein musste, weil dadurch die Grenze zwischen Gott und Mensch aufgehoben und so Gott Mensch und Mensch Gott geworden wäre.“ Das Zulassen dieser Erkenntnis und damit aber auch die Abkehr von allen weltlichen Wertesystemen gelingt Pilatus nicht: bis zum Schluss bleibt er dem sich offenbarenden Gott gegenüber misstrauisch. Erst beim Anblick des getöteten Jesus erkennt Pilatus sein Scheitern.
Zur Musik
Die Musik Johann Sebastian Bachs (1685 – 1750), die die Erzählung von Friedrich Dürrenmatt begleitet, ergänzt oder unterbricht, soll den Inhalt des Textes nicht erklären. Die Musik nimmt die dargestellten Inhalte auf, verstärkt die Affekte oder mildert sie. Viele Stücke, die aus ganz unterschiedlichen Lebenszeiten von Bach entstammen, stehen der Passion nahe und erinnern in Details an die Passionsmusiken Bachs. Die musikalischen Inhalte der Präludien lassen sie als Meditation zur Passion erscheinen. Für Bach stand: „Soli Deo Gloria“ (Gott allein die Ehre) über jedem Werk, ob es nun direkt für den kirchlichen, für den pädagogischen Zweck komponiert war oder auch nur für das häusliche Musizieren. So sind auch Bachs Kompositionen für Cembalo eine „geistliche Übung“, die er zur „Recreation des Gemüthes“ für Spieler und Hörer schuf. Für den Beginn des 18. Jahrhunderts komponierte Bach in ungewöhnlichen Tonarten, so in den Präludien in b-, cis- und es-Moll sowie fis-Moll in „Aus tiefer Not“ und f-Moll im Lamento. Diese Tonarten bedingen, dass in den barocken Stimmungsmodellen, die man zu Bachs Zeit auf Tasteninstrumenten einstimmte, so mancher Akkord „schreiend“ falsch klingt und die innere Dramatik der Stücke geradezu steigert.

Am Dienstag, dem 26. März um 19:30 Uhr im Gemeindehaus der St. Johanniskirche Hitzacker.

Rezitation: Johanna Krumstroh, Braunschweig

Cembalo: Prof. Martin Böcker, Stade

Eintritt frei