Kirchenaustritt

Bevor Sie austreten…                                                                                          

Sie überlegen, aus der evangelisch-lutherischen Kirche auszutreten?  Bevor Sie diesen Schritt tatsächlich gehen, bedenken Sie bitte die Konsequenzen. Es gibt nämlich viele Argumente dafür, die Kirche und ihre Arbeit durch Ihre Mitgliedschaft weiter mitzutragen.

1. Meistens hat ein Kirchenaustritt in erster Linie finanzielle Gründe und es geht darum, eine als zu hoch empfundene Kirchensteuer nicht mehr zahlen zu wollen. Die Kirchensteuer beträgt 9% der Einkommenssteuer und bezieht somit alle sozialen Kriterien mit ein, die auch der Statt anerkennt. Das heißt, wer viel verdient, trägt mehr bei, wer wenig hat trägt eine kleinere Last. Durch die Steuerreform sind die Kirchensteuern deutlich gesunken. In unserem Landkreis zahlen nur ungefähr 20 % aller Kirchenmitglieder tatsächlich Kirchensteuern. Das heißt, mit jedem austretenden Kirchensteuerzahler fehlt der Beitrag für vier nicht zahlende Gemeindeglieder.

2. Christ-Sein geht nicht allein für sich, sondern immer nur in Gemeinschaft mit anderen Menschen. Es gibt Dinge im Leben, die man sich nicht selber sagen kann. Wollen Sie sich wirklich aus dieser Gemeinschaft verabschieden? Eine persönliche Konsequenz wäre, dass Sie dann z.B. weder Pate noch kirchlich beerdigt werden können. Auch die Teilnahme am
Abendmahl ist nicht mehr möglich.

3. Die Kirche ist kein Club von Vollkommenen, sondern eine Gemeinschaft von Christenmenschen, die von der Vergebung leben. Auf jeden Fall ist sie mehr als ein Verein, aus dem man austritt, wenn man sich über den Pastor oder die Pastorin geärgert hat oder keinen persönlichen Nutzen mehr in der Mitgliedschaft sieht.
Vor allem weil Kirche vom Mitmachen und solidarischen Mitgetragen-Werden lebt, würde
uns Ihr Austritt schmerzen.

4. Wir sind überzeugt, dass unsere Welt die Kirche braucht. Sie weitet uns Menschen den Blick über uns selbst hinaus. Ohne die Frage nach Gott, nach dem Woher und Wohin unseres Lebens, nach dem, was uns trägt und erhält, was eigentlich wichtig und wesentlich ist, fehlt die entscheidende Dimension.

5. So begleitet die Kirche Menschen durch das ganze Leben. Sicher kennen Sie auch Situationen, in denen das schlagartig deutlich wird:  ein Todesfall, ein Unfall oder eine schwere Krankheit, auch eine Geburt oder eine Hochzeit….

6. Ohne die Kirche wäre unsere Gesellschaft viel kälter, liebloser und anonymer. Sie trägt mit ihren Einrichtungen einen wichtigen Teil der sozialen Verantwortung für die Schwachen und Benachteiligten unserer Gesellschaft. 70 % des kirchlichen
Haushalts wird für Personal ausgegeben. Oft ist es schwer zu überblicken, wie
viele Aufgaben die Kirche auch in Ihrem Sinne tut. Die Vielfalt des kirchlichen
Engagements ist erstaunlich: Gottesdienste, Kindergärten, Bahnhofsmission,
Schwangerschafts- und Ehe- und Lebensberatung, Obdachlosenhilfe,
Telefonseelsorge, Gefängnisarbeit, Familienbildung, Notfallseelsorge,
Altenbetreuung, Seemannsmission, Behindertenarbeit, Müttergenesung,
Dritte-Welt-Projekte, Arbeitsloseninitiativen, Aidsseelsorge,
Sterbebegleitung…

7. Auf dem Lande sind die Kirchengemeinden häufig die einzigen Institutionen, die noch vor Ort sind. In den Kirchengemeinden engagieren sich viele ehrenamtlich. Die Arbeit einer hauptamtlichen Pastorin oder eines Diakons wird so vervielfacht. Wenn die Kirche
ihre finanziell leistungsfähigsten Mitglieder verliert, wird sie sich immer stärker aus dem ländlichen Raum zurückziehen müssen. Gerade Kinder und ältere Menschen, die nicht so mobil sind, werden diesen Verlust zu spüren bekommen.

8. Für immer mehr Menschen ist es auch wichtig, dass Christinnen und Christen gewissermaßen stellvertretend beten für die Menschen in unseren Dörfern, unserer Stadt und unserer Welt, und dass die Kirchen Wahrheiten aussprechen und pflegen, die über die Fragen des Geldes hinausgehen und unsere Leistungsgesellschaft kritisch hinterfragen.

Formal läuft ein Kirchenaustritt übrigens über das Standesamt und kostet dort eine Gebühr. Auf jeden Fall sollten Sie sich melden, wenn Sie über die Gründe für Ihren Austrittswunsch ins Gespräch kommen wollen.

(Jens Rohlfing, Pastor in Hitzacker)