„Heute ist ein besonderer Tag. Heute vor 60 Jahren, am 26. März 1961 hatten wir Konfirmation. Vielleicht gibt es im Spätsommer ja noch einen Festgottesdienst … Liebe Grüße Erika“. Diese Nachricht habe ich am vergangenen Freitag am frühen Morgen auf meinem Smartphone gelesen. Sie war um 0:08 Uhr abgesendet worden.
Nach 60 Jahren hat da ein Mensch die eigene Konfirmation immer noch als besonderes Erlebnis im Kopf und im Herz. Ein Tag, ein Ereignis, ein Gottesdienst, der Mut gemacht hat, der konfirmiert, bestärkt hat im wörtlichen Sinn: „Gott ist an deiner Seite. Du wirst durch dein Leben gehen. Es wird gute und schlechte Tage geben. Du wirst mutig und ängstlich sein. Du wirst glaubensstark und voller Zweifel sein. Aber die Hoffnung musst du nicht verlieren. Du brauchst nicht aufgeben. So wie Jesus nicht aufgegeben hat. So wie deine Mütter und Väter im Glauben auch nicht aufgegeben haben.“
Und nach 60 Jahren hat sich das bestätigt. Nach 60 Jahren mit Leben im Auf und Ab ist diese Zusage zur Lebenserfahrung geworden.
Der Hebräerbrief spricht von der Wolke von Zeugen. Er schreibt an Menschen, die sich als kleine Schar erleben. Er schreibt an Menschen, die im Alltag des Lebens und im Alltag des Glaubens angekommen sind. Die großen Erfahrungen, die die Freundinnen und Freunde Jesu mit ihm gemacht haben, kennen sie nur aus Erzählungen. Sie selbst spüren Widerstand gegen ihren Glauben. Nachbarn, aber auch der Staat macht ihnen das Leben schwer. Da liegt es nahe, aufzugeben. Da liegt es nahe, zu fragen: „Was hilft mir der Glaube? Bin ich tatsächlich im Leben und im Sterben von Gott getragen? Gibt es für mich eine gute Zukunft? Gibt es ein Mehr als den Alltag?“
Diesen Menschen schreibt der Hebräerbrief und erinnert an die Wolke von Zeugen, erinnert an Jesus selber, der durchgehalten hat, der Schande und Tod auf sich genommen hat, auf sich nehmen konnte, weil Gott an seiner Seite war, weil er wusste: Selbst der Tod kann mich nicht festhalten. Gottes Leben ist stärker.
Die Wolke der Zeugen, das sind keine moralisch perfekten Vorzeigemenschen. Das sind Menschen wie Sie und ich mit Fehlern und Schwächen. Und doch sind es Heilige. Menschen, die zu Gott gehören. Menschen, die sich an Gott halten. Das heißt: Heilig sein. Heilige, Heiliger ist, wer mit Gott rechnet. Und alle diese Heiligen sind Teil der Wolke der Zeugen.
Darum ist auch Erika Teil dieser Wolke. Darum sind wir, sind Sie und ich Teil dieser Wolke der Zeugen.
Der Hebräerbrief will zweierlei:
Erstens: Er möchte Mut machen. Darum sagt er: Vergesst die Wolke nicht. Vergesst nicht, dass vor euch Menschen Gott vertraut haben und damit durchs Leben gekommen sind. Wunder erlebt haben. Nämlich Leben, wo nur Tod möglich zu sein schien.
Also: Auch wenn Corona, auch wenn anderes das Leben schwer macht. Auch wenn wir als Gemeinde kleiner und unwichtiger werden: Vergesst die Wolke nicht. Andere haben ähnliches durchgemacht und erlebt: Vertrauen auf Gott hilft. Vertrauen auf Gott führt zum Leben.
Zweitens: Erkennt euch selbst als Teil der Wolke. Schon jetzt seid ihr mit eurem Glauben, mit eurem Vertrauen Teil der Wolke der Zeugen.
Pastor Klaus-Markus Kühnel
St. Johannis Dannenberg
13. Kalenderwoche