Ein kleines Licht am 19. Mai

von Heike Sieberns; Vikarin in Damnatz, Langendorf und Quickborn

Wir müssen reden.

Kein Satz löst bei mir mehr Kopfkino aus, als dieser. Dieser Satz kann die Einleitung für alles sein. Alles zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Aber egal was dann kommt, die Sache ist ernst. Da geht es nicht um den schönen Urlaub im Herbst oder den Tatort vom vergangenen Sonntag. Wenn ich diesen Satz höre, überlege ich sofort, was ich falsch gemacht habe. Habe ich ein Versprechen nicht gehalten? Oder habe ich etwas Wichtiges vergessen? Mein Kopf stellt dann die wildesten Theorien auf.

Ich denke an jeden Moment zurück, der verdächtig scheint. Das sind Momente, in denen ich mich über etwas lustig gemacht habe. Oder es sind Momente, in denen ich nicht nochmal nachhaken wollte. Obwohl ich das Gefühl hatte, irgendwas ist da im Busch. Irgendwas brennt ihm doch noch unter den Nägeln.
Vielleicht habe ich aber auch gar nichts falsch gemacht. Vielleicht möchte die Person einfach nur reden. Über etwas Ernstes. Und zwar mit mir. Vielleicht, weil ich gut zuhören kann. Wer weiß.
Ich kann mir noch viel ausmalen. Der Satz gibt einfach zu viel her.

Nun ist dieser Satz aber von Gott unterzeichnet. Gott. Derjenige, der doch eh schon alles weiß. Vor dem ich nichts verheimlichen kann. Dieser Gott möchte reden.
Das kann doch eigentlich gar nicht sein. Niemand kennt mich so gut wie Gott. Ich glaube, dass Gott mich sogar besser kennt, als ich mich selbst kenne. Jeder noch so blöder Gedanke ist von Gott schon einmal gehört worden. Jede Notlüge ist schon entlarvt, bevor sie ausgesprochen ist. 

Aber darum geht es Gott wohl nicht. Es kann nicht um den Inhalt gehen. Ich muss Gott nicht auf den neusten Stand bringen, was in meinem Leben gerade so passiert.
Was Gott von mir will, ist ein Gespräch. Gott möchte, dass ich mit rede. Ich soll mich nicht in meinen Gedanken verbuddeln. Ich soll mich Gott zuwenden. Wenn ich etwas erzähle, ist das immer ein Vertrauensbeweis. Denn es geht nicht nur um das, was ich erzähle. Sondern es geht auch immer um die Tatsache, dass ich erzähle. Wenn wir miteinander reden, entsteht eine Beziehung.

In einem Dorf wird viel getratscht. Im Grunde wissen alle übereinander Bescheid. Man hört ja so dies und jenes. Und was das dann bedeutet, kann man sich schon selbst zusammenreimen.
Wenn ich allerdings beim nächsten Dorffest mit den Leuten ein Bier trinke, ist das was anderes. Wenn dort jemand die eigene Geschichte erzählt, die alle schon längst gehört haben. Diese Geschichte hat dann einen anderen Stempel. Sie ist nicht mehr nur Dorftratsch. Jetzt darf ich die Geschichte wissen. Denn wenn sie mir erzählt wird, wird sie mir anvertraut. Das ändert häufig nichts an der Geschichte. Aber es ändert etwas an der Beziehung zwischen mir und der Person, der diese Geschichte gehört. Vorher habe ich über diese Person gesprochen. Jetzt rede ich mit der Person.

Ich glaube, mit Gott ist das so ähnlich. Ich würde zwar nicht sagen, dass Gott tratscht. Aber ich würde schon sagen, dass Gott alle Geschichten kennt. Es ist eben sogar für Gott ein Unterschied, ob ich ihm meine Geschichte selbst erzähle. Denn dann vertraue ich mich Gott an. Dann erzähle ich ihm meine Geschichte mit meinen Worten. Ich schmücke die Geschichte an den Stellen aus, die mir wichtig erscheinen. Im Gespräch kann eine Beziehung entstehen. Eine Beziehung zwischen Gott und mir. Aber dafür müssen wir reden. Es muss ja nicht jeden Tag sein. 

Das dreiundsechzigste Licht.

Bleiben Sie behütet.

Ihre Vikarin Heike Sieberns

 

Das “kleine Licht” erscheint jeden Abend auf der Startseite von Evangelisch-im-Wendland.de und auf der Homepage der Kirchengemeinden Damnatz, Langendorf und Quickborn. Sie können diese Andacht, diesen Impuls oder Gedanken gut in ein Abendgebet einbauen. In Damnatz, Langendorf und Quickborn läuten dazu jeden Abend, außer am Wochenende von 19.15 bis 19.20 Uhr die Glocken. Für das Abendgebet können Sie eine Kerze anzünden. Die Kerze können Sie danach um 19.30 Uhr auf ein Fensterbrett in Richtung Straße stellen. Das ist ein Zeichen der Hoffnung, dass sich zur Zeit ganz viele Menschen in Lüchow-Dannenberg gegenseitig geben.

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