Sola gratia!

Worte zur Besinnung – Reformationstag – EJZ am 30.10.2023 – Michael Ketzenberg, Breselenz – Pastor in Lüchow und Plate

Sola gratia!

Solo heißt „allein“. Ausschließlich. Und mit vier solchen „Solos“ ist Luthers Theologie zu beschreiben. “Sola fide, sola scriptura, solus Christus, sola gratia” – Allein durch den Glauben, allein die Schrift, allein Christus, allein durch Gnade! Vier „Solos“ – vier Prüfsteine für den Glauben, für die Kirche, für das, was Christen ausmacht. Er hat sich daran orientiert. Und das hat verändert. Den Glauben, die Kirche, die Gesellschaft. Damals.

Und heute? Wir feiern Reformationstag – und es stellt sich die Frage, ob diese „Solos“ heute gültig sind. Allein der Glaube: Gelingt es uns, in anderen diesen Glauben zu wecken, damit sie befreiter, gelassener, geliebter leben können? Allein die Schrift: Entdecken wir in der Bibel noch das Fundament, das uns Orientierung gibt? Allein Christus: Dürfen wir so etwas noch sagen und denken in unserer multikulturellen und -religösen Welt? Allein die Gnade: Können wir darauf vertrauen, daß nicht wir es sind, alles in den Händen halten und verantworten?

Was hätte das für Folgen in unserer Zeit, in der Selbstbestimmung, Kriege und Gewalt, Individualismus, Klimaängste und Ausweglosigkeiten an der Tagesordnung sind? Wie wäre das? Sola fide: Nicht die Kirchensteuer ist wichtig, sondern dass wir im Glauben gemeinsam auf dem Weg sind, weil wir es alleine nicht können. Und uns dann gegenseitig mit unseren Erfahrungen da stärken können, wo alleine die Kraft fehlt? Sola Scriptura: Wie wäre das, wenn wir lesen, hören und entdecken können, dass Gott unser Leben trägt und uns liebevoll ansieht, damit wir uns nicht selber (er-)tragen müssen und angesehen sind? Das muss man sich sagen lassen – und die Bibel sagt es uns. Solus Christus: Wie wäre das, wenn wir merken, dass Gott nicht irgendwo weit weg im Himmel oder eine undefinierbare magische Kraft ist, sondern dass er leibhaftig und ganz nah und anfassbar ist? Und darum kein Winkel unseres Lebens ohne ihn ist? Sola gratia: Wie wäre es, wenn wir nicht immer alles nur von uns abhängig machen, was gelingt und was nicht gelingt? Wenn wir uns nicht selbst überschätzen und damit scheitern? Wenn wir merken, dass Er sich für uns verantwortet und wir nicht „die Letzten“ sind, die irgendwas retten können? Sondern dass er das letzte Wort hat und dieses Wort „Gnade“ heißt?

Ich wünsche mir, dass wir eine Kirche sind, in der man diese vier „Solos“ erlebt – und will alles dafür tun, dass es so ist. Und wenn das nicht zu erkennen ist, dann, bitte, sagen Sie es uns!