Worte zur Besinnung – 6. Sonntag nach Trinitatis – EJZ am 15.07.2023
Michael Ketzenberg, Breselenz – Pastor in Lüchow und Plate
Angerührt
Sie können sich gut leiden. Mehr ist da nicht. Bisher. Und wieder einmal sitzen sie nebeneinander. Wie so oft. Ganz zufällig berühren sich da mit einem Mal ihre Knie. Sie schaut schnell weg. Und ihn durchfährt eine Mischung wie Hitzewallung und Schockfrost. Ein bisschen länger als eigentlich normal bleiben die Knie noch beieinander – und dann zieht sie ihrs wieder zurück. Mehr war da nicht. Und ob’s mehr werden könnte, weiß kein Mensch. Aber er wird diesen winzigen Moment noch gefühlt ewig lange im Herzen tragen. Berührt. Nicht nur. Sondern die Berührung bewirkte: Er war angerührt.
Sowas hab ich auch schon mal erlebt. Und ich habe sowas glaube ich auch schon mal mit Gott erlebt. Kann mich erinnern an den leichten Schauer, der mich überfiel, als mir bei der Konfirmation damals die Hände aufgelegt wurden. Und dann später nochmal, als ich wie so oft mit Jugendlichen in Taizé war, dieser Ort mit dem ökumenischen Kloster im französischen Burgund, dessen „Brüder“ viele Wochen im Jahr zu internationalen Jugendtreffen einladen. Da war es – mitten in der langen Stille im Abendgebet. Es fiel kein Wort, es gab nicht mal eine Berührung mit dem Knie – aber wieder gab es diesen leichten Schauer, so als hätte Gott mich berührt. Angerührt.
In diesen Tagen bin ich wieder mit Jugendlichen in Frankreich. Zuerst drei Tage in Paris. Und dann eine Woche in Taizé. Und ich freue mich darauf. Ich freue mich auf die Zeit für mich selber – und ich freue mich darauf, daß die Jugendlichen die Chance haben, mit dem Glauben in Berührung zu kommen. Zum Beispiel, wenn auf italienisch gesungen wird „Il signore ti ristosa, dio non allontana“ (Der Herr gibt dir neue Kraft, Gott verstößt dich nicht.) Man kann nichts erzwingen. Aber schön wäre es doch, sich angerührt zu fühlen von dem „Gott, der kommt, um bei dir zu sein“ – denn so geht das Lied weiter (Il Signore viene ad incontrarti). Man kann es nicht erzwingen, das lässt Gott auch nicht mit sich machen. Aber es kann sein, dass er uns irgendwie berührt, ohne dass wir damit rechnen. Und uns anrührt. Und wir diese Mischung aus Hitzewallung und Schockfrost spüren. Und dann mit neuem Vertrauen und mit einer neuen Gelassenheit leben können. Angerührt sein. Das wäre schön.