Stimmen in der Nacht.
Gedanken zum Sonntag Exaudi.
Der Junge Samuel soll Priester werden. Dreimal ruft Gott den Jungen mitten in der Nacht. Dreimal wacht Samuel auf und versteht den Ruf aber falsch. Samuel denkt, sein Ausbilder Eli hätte ihn gerufen. Er weckt den alten Mann, aber der schickt ihn zweimal einfach nur wieder schlafen. Beim dritten Mal sagt Eli: Wenn du den Ruf noch ein viertes Mal hörst, dann antworte: „Rede, Herr, denn dein Knecht hört!“
1988 war ich mit dem Abi durch und auch schon fast mit dem Zivildienst fertig. Ich hatte mir überlegt, Theologie zu studieren, um dann später mal Pastor zu werden. Aber ganz sicher war ich mir nicht. Reichte das aus, einfach Lust dazu zu haben? Oder sich das gut vorstellen zu können – Pastor zu werden? Ich dachte, da müsste doch noch irgendetwas mehr passieren. Irgendwas Dramatischeres! Mit diesen Gedanken ging ich zu unserem Pastor, der ein echt netter Kerl war.
Der sagte: „Was erwartest du denn? Eine Stimme aus dem Himmel?“ „Ja, nö…“, wusste ich auch nicht. So was hatte es bei meinem Pastor auch nicht gegeben. Statt dessen die gleichen Fragen, die gleichen Zweifel, mit denen ich vor ihm stand. Dann sagte er: „Aber jetzt, wo ich Pastor bin, merke ich von ganzem Herzen, dass das richtig ist. Dass Gott genau das mit mir vorgehabt hat!“ Das reichte für mich, um mich an der Uni in Göttingen einzuschreiben. Ich habe es nicht bereut. Was hat Gott mit mir vorgehabt? Ich glaube, ich habe es rausgefunden.
Bis heute höre ich keine Stimmen. Darüber bin ich sehr froh. Und keine Ahnung, ob ich diese Geschichte von dem jungen Samuel überhaupt mag. Sie hängt die Latte nämlich ganz schön hoch: Entweder weckt dich Gottes Stimme aus dem Schlaf oder er hat scheinbar nichts Besonderes mit dir vor. Entweder spricht Gott ganz laut und deutlich oder er hat dir nichts zu sagen. So glaube ich das nicht!
Ich denke, Gott hat mit jedem und mit jeder von uns etwas vor. Für irgendwas kann er uns schon gebrauchen. Wenn Gott sich nicht vollkommen deutlich ausspricht, dann müssen wir genauer hinhören. Uns einlassen. Erst mal bereit sein, zu hören. Dafür muss ich aber überhaupt erst mal damit rechnen, dass Gott mich ansprechen könnte. Auf irgendeine Art. Dass er meinem Leben einen Sinn gibt. Ich muss offen sein. Mich darauf einlassen. Dann wird sich alles andere zeigen.
„Rede, Herr, ich höre!“
von Jörg Prahler, Pastor in Damnatz, Langendorf und Quickborn.