Worte zur Besinnung, EJZ 10.04.2021
Michael Ketzenberg, Breselenz – Pastor in Lüchow und Plate
„Quasimodo“ haben sie ihn genannt – eine der Hauptfiguren eines Romans von Victor Hugo. Man kannte ihn als den Glöckner von Notre Dame. Seinen Namen erhielt er, weil er am Sonntag „Quasimodogeniti“ = „wie die neugeborenen Kinder“ (das ist morgen – der erste Sonntag nach Ostern) auf den Stufen der Kathedrale in Paris gefunden wurde. Im biblischen Zusammenhang erinnert der lateinische Name des Sonntags an die Osterbotschaft: Gott schenkt neues Leben – der Tod ist überwunden. Wir können seine Liebe annehmen wie neugeborene Kinder die Muttermilch.
So rosig war es für den Glöckner Quasimodo allerdings nicht. Hässlich, entstelltes Gesicht, eine Warze vor einem Auge, schiefe Beine und ein Buckel. Behindert – körperlich und auch geistig. In jeder Zeit gab und gibt es „ungewollte Kinder“. Er hatte aber „Glück“: Ausgesetzt, freigegeben, konnte er leben. Und die Türme der Pariser Kathedrale mit ihren Glocken wurden zu einer Heimat. Zu seinem Leben. Alle großen Gefühle waren seine: Sehnsucht, Angst, Liebe, Freude, Wut und Hass. Und vielleicht weil sein Gemüt so schlicht war und sein Körper so entstellt – vielleicht deshalb war er auch ein Mensch mit einem großen Herzen, in dem eben Platz war für die großen Gefühle.
Seine Geschichte ging trotzdem nicht gut aus. Vielleicht aus denselben Gründen, aus denen heutzutage Menschen erst gar nicht gewollt sind. Wie schlimm ist es, wenn das eigene Glück vor dem Glück eines anderen steht. Und umgekehrt auch: Wie schlimm, wenn das Leben eines anderen dem eigenen Glück im Wege steht.
Ironie des Schicksals, dass der Sonntag nach Ostern an die neugeborenen Kinder erinnert? Daran, dass jedes neue Leben genährt und erfüllt ist von der Freundlichkeit Gottes. Und dass selbst so ein Kind wie dieser Quasimodo in dem Roman das alles empfinden kann – besonders auch eben das Glück, das sich tief in sein Herz hineinbrennt, als er die “Zigeunerin” Esmeralda kennenlernt. Wenn auch seine Geschichte nicht glücklich endet, so konnte er doch Glück erfahren. Ein Glück, das jedem Leben zu gönnen ist, so anders als gewünscht es sich auch entwickeln mag.
Ich denke am Sonntag der neugeborenen Kinder auch an die ungeborenen Kinder und an deren Glück.