von Heike Sieberns; Vikarin in Damnatz, Langendorf und Quickborn
Zwillinge in einer Gebärmutter unterhalten sich…
„Glaubst du eigentlich an ein Leben nach der Geburt?“
„Ja, das gibt es. Unser Leben hier ist nur dazu gedacht, dass wir wachsen und uns auf das Leben nach der Geburt vorbereiten, damit wir stark genug sind für das, was uns erwartet.“
„Blödsinn, das gibt es doch nicht. Wie soll denn das überhaupt aussehen, ein Leben nach der Geburt?“
„Das weiß ich auch nicht so genau. Aber es wird sicher heller als hier sein. Und vielleicht werden wir herumlaufen und mit dem Mund essen?“
„So ein Unsinn! Herumlaufen, das geht doch gar nicht. Und mit dem Mund essen, so eine komische Idee! Es gibt doch eine Nabelschnur, die uns ernährt, und die ist ja jetzt schon zu kurz zum Herumlaufen.“
„Doch, es geht ganz bestimmt. Es wird eben alles nur ein bisschen anders!“
„Es ist noch nie einer zurückgekommen von ‚nach der Geburt‘. Mit der Geburt ist das Leben zu Ende, danach ist alles dunkel und Quälerei.“
„Auch wenn ich nicht genau weiß, wie das Leben nach der Geburt aussieht, jedenfalls werden wir dann unsere Mutter sehen und sie wird für uns sorgen.“
„Mutter? Du glaubst an eine Mutter? Wo ist sie denn bitte?“
„Na hier, überall um uns herum. Wir sind und leben in ihr und durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein.“
„Quatsch! Von einer Mutter habe ich noch nie etwas bemerkt, also gibt es sie auch nicht.“
„Doch, machmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie singen hören. Oder spüren, wenn sie unsere Welt streichelt…“
[Eine Geschichte nach Henri Nouwen]
Diese Geschichte von den Zwillingen im Bauch der Mutter ist eine meiner Lieblingsgeschichten. Es ist eine kleine Geschichte, die viel in sich trägt. Viel, worüber sich seit Jahrhunderten viele Theolog*innen und Philosoph*innen den Kopf zerbrechen. Viel, worüber sie sich oft gestritten haben. Und ohne, dass sie Geschichte etwas erklären muss, versteht man direkt, worum es geht. Nicht einmal tauchen Worte wie Gott, Schöpfung oder Jenseits auf. Und trotzdem kommt Ihnen bestimmt einiges davon bekannt vor. Vielleicht sind Ihnen sogar einige Sätze vertraut.
„Quatsch! Von einer Mutter habe ich noch nie etwas bemerkt, also gibt es sie auch nicht.“ ist mir immer mal wieder begegnet. Wenn ich auf einer WG-Party war und gefragt wurde, was ich studiere, gab es zwei Reaktionen. Entweder haben Leute interessiert nachgefragt und fanden es spannend, dass ich in den Dienst der Kirche treten will. Oder mir wurde Verwunderung entgegengebracht. Verwunderung darüber, wie man im 21. Jahrhundert als erwachsener Mensch an Gott glauben kann.
… das passiert einfach. Das mit dem Glauben habe ich mir nicht ausgesucht. Vermutlich ebensowenig, wie sich der Typ entschieden hat, nicht zu glauben. Auch wenn er mir das vielleicht weiß machen möchte. Weil er meint, er könnte mir rational erklären, dass mein Glaube naiv sei.
Manchmal habe ich mir gewünscht, ich könnte einfach aufhören zu glauben. Einfach sagen: „Gott gibt es nicht.“ Dann hätte ich mir einige Gespräch auf WG-Partys erspart. Und ich hätte mir auch die unangenehmen Seiten des Glaubens nicht antun müssen. Weil das nämlich nicht einfach nur Friede-Freude-Eierkuchen ist. Sondern, dass da viel offen bleibt. Dass glauben auch zweifeln bedeutet. Fragen, die keine Antwort haben. Das ist manchmal ziemlich ernüchternd. Damit musste ich meinen Umgang lernen. Und ich lerne auch immer noch. Manchmal mache ich da auch Rückschritte.
Aber dann gibt es wieder Tage, an denen ich froh bin zu glauben. Glauben zu können bedeutet für mich, dass ich noch eine weitere Option habe, auf die Welt zu schauen. Dass ich nicht nur davon ausgehen muss, dass die menschliche Spezies ein Zufallsprodukt der Evolution ist. Sondern, dass der Mensch ein geliebtes und gewolltes Geschöpf Gottes ist. Ein Geschöpf, dem die Welt anvertraut wurde mit allem, was darauf lebt. Für dieses Geschöpf gilt nicht einfach das Recht des Stärkeren – auch wenn es manchmal so scheint. Wenn ich mir mit meinem Glauben die Welt anschaue, dann gibt es etwas zu tun. Und zwar für ne gute Sache! Weil Gott dem Menschen etwas zutraut. Vielleicht sogar mehr, als wir uns zutrauen.
Ich kann mir die Sache mit Gott nicht aussuchen. Die passiert einfach.
Das hundertunterste kleine Licht.
Bleiben Sie behütet.
Ihre Vikarin Heike Sieberns
Das “kleine Licht” erscheint jeden Abend auf der Startseite von Evangelisch-im-Wendland.de und auf der Homepage der Kirchengemeinden Damnatz, Langendorf und Quickborn. Sie können diese Andacht, diesen Impuls oder Gedanken gut in ein Abendgebet einbauen. In Damnatz, Langendorf und Quickborn läuten dazu jeden Abend, außer am Wochenende von 19.15 bis 19.20 Uhr die Glocken. Für das Abendgebet können Sie eine Kerze anzünden. Die Kerze können Sie danach um 19.30 Uhr auf ein Fensterbrett in Richtung Straße stellen. Das ist ein Zeichen der Hoffnung, dass sich zur Zeit ganz viele Menschen in Lüchow-Dannenberg gegenseitig geben.
„Meine Oma hat aber gar kein Internet”? Aber du! Es ist ausdrücklich erlaubt, diese Beiträge auszudrucken, zu verschicken, zu teilen oder zu verlinken. Gebt sie gerne an alle weiter, die sich darüber freuen und vor allem an die, die sonst keine Zugang dazu hätten.
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