Heute ist ein trauriger Tag…
Ich weiß gar nicht, ob Sie es selbst schon mitbekommen haben: Heute ist ein sehr, sehr trauriger Tag! Ohne jede Frage!
Wenn die blöde Corona-Epidemie nicht gewesen wäre, dann hätte heute die Fußball-EM begonnen. Einen Monat lang Fußball, Fußball, Fußball. Am besten an die Leinwand gebeamert mit 30 anderen Kumpels. Vielleicht mit dusseliger schwarz-rot-goldener Mütze auf dem Kopp. Am besten mit einem eiskalten Bier in der Hand.
Fußball ist nur richtig schön in der Masse. Vielkehlige Jubelschreie, wenn allen zusammen gleichzeitig der Atem stockt oder wenn alle zusammen laut aufstöhnen oder fluchen. Und in der Pause wird gefachsimpelt, die Taktik besprochen, die Mannschaft umgestellt und gerne auch mal der Trainer entlassen. Einen Schluck trinken. Wer gibt ne Runde aus? Mund abputzen, weitergucken.
Es hätte so schön sein können! Foto: Karin Schmidt / pixelio.de
Ich muss sagen: So richtig wichtig sind mir nur die großen Fußballturniere. WM oder EM. Bei der Bundesliga tippe ich nur die Ergebnisse. Und dann hoffe ich noch, dass Bayern nicht Meister wird und Werder nicht absteigt. 2020 könnte also ein noch viel traurigeres Jahr werden. Aber gucken tue ich die Bundesliga eigentlich nie. Meistens schreibe ich am Samstag meine Predigt. So wichtig ist es mir dann auch nicht. Vor allem aber macht mir Fußballgucken allein zu Hause keinen richtigen Spaß. Das ist wie Bratwurst ohne Senf oder wie Cola ohne Kohlensäure. Also doof.
Und auch ansonsten hält sich meine Sportbegeisterung in Grenzen: Handball-EM? Kann man zur Not mal gucken. Eishockey-WM? Ja, okay, wenn sie sich gut schlagen. Tennis, Skispringen, Springreiten, Synchronschwimmen? Dafür ist mir echt meine Lebenszeit zu schade!
Nein, Fußball ist definitiv die beste Sportart von allen. Man darf dazu zwar auch eine andere Meinung haben, aber diese Meinung ist leider falsch. Fußball ist der beste Sport von allen. Das steht unumstößlich fest.
Aber warum eigentlich?
Zum einen natürlich, weil ich selber jahrelang Fußball gespielt habe. TUS Unterlüß, blaues Trikot und weiße Turnhose. Rechter Verteidiger, Libero, rechtes Mittelfeld. Aber eigentlich rechter Verteidiger. Und zwar die Sorte, die sich den Ball holt, an die gegnerische Torauslinie rennt und dann beherzt in die Mitte flankt. Hätten wir einen Horst Hrubesch gehabt, hätte das auch alles einen Sinn gemacht. So war es vor allem viel Rennerei.
Der nächste Punkt: Fußball ist ein Mannschaftssport. Das erscheint mir grundsätzlich moralisch bedeutender zu sein als jede Individualsportart. „Einer für alle und alle für einen“ gilt eben nicht nur bei den Musketieren, sondern auch im Fußball.
Dann dass es ein Sport im Freien ist. Welcher Handballer hat schon mal bei 10 Grad minus gespielt? Welcher Volleyballer hat nach dem Spiel Gras zwischen den Zähnen? Welcher Basketballer ist schon mal 5 Meter über den nassen Rasen gerutscht? Fußballspieler machen das ständig.
Sehr gut gefällt mir auch, dass es beim Fußball ganz verschiedene Spielertypen gibt: Da ist der filigrane, trickreiche, geniale Techniker, der mit dem Ball zaubert und der sich in den Sechzehner tanzt. Und da ist der ehrliche, eisenharte, kampfbetonte rechte Verteidiger, der einfach mal seinen Fuß hinstellt, dem Schnösel den Ball abnimmt und dann damit an die gegnerische Torauslinie rennt…
Vor allem aber finde ich am Fußball gut, dass man den Ball mit dem denkbar ungeeignetsten Körperteil spielt. Füße sind im Grunde nicht wirklich dafür gemacht, einen Ball aus der Luft zu fischen, zu stoppen oder zielgenau irgendwo hinzuschießen. Füße sind dafür gemacht, einen Ball zu verlieren, zu verstolpern oder daneben zu treten. Deshalb passiert das manchmal auch. Und deshalb kann man nie wirklich sicher sein, dass man den Ball wirklich unter Kontrolle hat. Ruckzuck kann ihn dir einer wegnehmen, dann läuft das Spiel wieder in die andere Richtung.
Um so herausragender sind diese genialen Momente, wenn ein Spieler mit dem Ball etwas ganz Geniales macht. Wenn du dich fragst: „Welche Naturgesetze wurden hier eigentlich gerade außer Kraft gesetzt, dass das gelingen kann?“ Einen Ball mit den Händen festhalten, das kann hingegen jeder Depp. Außer die Torwarte beim Fußball.
Fußball ist der allerbeste Sport. Alle strengen sich an. Keiner weiß, wie es ausgeht. Deshalb kann man Fußball auch nur live gucken. Sonst ist es wieder wie Bratwurst ohne Kohlensäure und wie Cola ohne Senf.
Und alles das findet dies Jahr nicht statt. Danke, Spielverderber Corona. Andererseits: Ein paar richtig gute deutsche Spiele waren doch verletzt, die müssten jetzt eigentlich wieder genesen. Und in Deutschland dürfen die Spieler längst schon wieder trainieren. Ein paar Monate mehr Vorbereitung tun der Mannschaft bestimmt sehr gut. Oder könnten das schlimmste sogar verhindern. Denn statt der WM 2018 hätte ich auch Tennis gucken können. Oder Deutschlands schönste Bahnstrecken. Das war nichts.
Und bei aller Freude oder bei allem Ärger: So wichtig ist Fußball ja dann auch nicht. Wenn man nur die selbe Begeisterung, die gleiche Leidenschaft auch für was anderes aufbringen könnte …
In der Bibel steht nicht viel drin über Sport. Nur Paulus schreibt: „Ihr wisst doch: Im Stadion laufen alle Läufer schnell, aber nur einer gewinnt den Preis. Lauft wie der, der ihn gewinnt! Alle Wettkämpfer üben im täglichen Leben Verzicht. Sie tun es, um einen vergänglichen Siegeskranz zu gewinnen. Aber wir tun es für einen unvergänglichen Siegeskranz.“
Er sagt: „Sportler strengen sich an und schinden sich für einen blöden Pokal, eine Medaille, einen Lorbeerkranz, der nach ein paar Wochen welk und staubig wird. Legt doch auch mal so viel Engagement und Anstrengung für euren Glauben an den Tag“. Ja, da hat Paulus schon recht. Ein bisschen mehr Begeisterung im Glauben wäre bei uns Christen nicht verkehrt. Freude, Spaß und Leidenschaft. Überhaupt mal den Gottesdienst am Sonntag wirklich als eine Art Feier verstehen. Nicht als eine zutiefst ernste Sache.
Weiter: Das Eine muss das Andere ja nicht ausschließen. Und außerdem: Paulus wusste auch noch nichts von Fußball!
Das siebenundachtzigste kleine Licht.
Bleiben Sie gesund oder werden Sie gesund.
Ihr Pastor Jörg Prahler
Das “kleine Licht” erscheint jeden Abend auf der Startseite von Evangelisch-im-Wendland.de und auf der Homepage der Kirchengemeinden Damnatz, Langendorf und Quickborn. Sie können diese Andacht, diesen Impuls oder Gedanken gut in ein Abendgebet einbauen. In Damnatz, Langendorf und Quickborn läuten dazu jeden Abend, außer am Wochenende von 19.15 bis 19.20 Uhr die Glocken. Für das Abendgebet können Sie eine Kerze anzünden. Die Kerze können Sie danach um 19.30 Uhr auf ein Fensterbrett in Richtung Straße stellen. Das ist ein Zeichen der Hoffnung, dass sich zur Zeit ganz viele Menschen in Lüchow-Dannenberg gegenseitig geben.
„Meine Oma hat aber gar kein Internet”? Aber du! Es ist ausdrücklich erlaubt, diese Beiträge auszudrucken, zu verschicken, zu teilen oder zu verlinken. Gebt sie gerne an alle weiter, die sich darüber freuen und vor allem an die, die sonst keine Zugang dazu hätten.
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Ich finde es toll.
Der Text macht einen Glücklich, weil man dann denkt dass die Corona-Zeit nicht mehr Lange da ist.