Kantate – 10. Mai 2020 von Pastor Eckhard Kruse
“Wenn diese schweigen, werden die Steine schreien!” Diesen Satz sagte Jesus im Evangelium für den Sonntag Kantate. Nie war uns dieser Satz näher als heute.
“Als Jesus schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten, und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe! Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht! Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.” Lukas 19,37-40
Liebe Gemeinde!
Einen größeren Gegensatz kann man sich nicht denken. Auf der einen Seite das fröhliche Gotteslob und die Ermutigung, frisch und frei zu singen. Auf der anderen Seite das Verbot, in den wenigen möglichen Gottesdiensten zu singen. Die Kirchen waren acht Wochen lang geschlossen. Jetzt darf wieder Gottesdienst gefeiert werden. Aber zu welchen Auflagen und Bedingungen?
Wir haben in Gartow sehr hart daran gearbeitet, dass es endlich wieder möglich ist, einen gemeinsamen Gottesdienst zu feiern. Viele Hilfskräfte sind erforderlich, die alles vorbereiten, desinfizieren und Abstandsregelungen vornehmen. Der Gottesdienstort muss eine Einbahnstraße sein. Helferinnen und Helfer statten die Teilnehmer mit Mundschutz aus, soweit sie keine Masken mitbringen. Dann werden sie an ihre Plätze begleitet. Dort soll die Gemeinde schweigen. Am Sonntag Kantate darf man nicht singen. Zuhause schon. Aber nicht in der Gemeinschaft.
Schon die Vorbereitungen, waren eine wunderbare Erfahrung christlicher Gemeinschaft.
So ähnlich werden die Menschen es erlebt haben, als Jesus in Jerusalem eingezogen ist. Sie warfen bunte Tücher auf den Weg und haben fröhlich und ausgelassen gejubelt und laut gesungen. Das störte die Obrigkeit. Sie verlangten von Jesus, diese Leute endlich zum Schweigen zu bringen. Da sagte Jesus den seltsamen Satz: „Wenn diese schweigen, werden die Steine schreien.“ (Lk 19,40)
Ich habe mir beides nicht vorstellen können. Weder dass wir zu Kantate schweigen, noch das Schreien der Steine. Beides setzt Jesus in einen Zusammen-hang. Wobei unser Schweigen selbst-auferlegt ist, und dem Schutz unserer Nächsten dient.
In einem Nachbardorf, 17 Kilometer nördlich von Schnackenburg, sah ich eine Kirchenruine. Die Kirchenmauern stehen noch, das Dach fehlt. Wo die Gemeinde sitzen sollte wächst Gras. In der Zeit der DDR hat dort niemand mehr gesungen. Aber die Steine sprechen.
So erlebe ich unsere jetzt leerstehenden Kirchen. Die Mauersteine erzählen ihre Geschichten. Wieviel Freude, wieviel Leid, wieviel Hoffnung auch haben Menschen in diesen Mauern vor Gott gebracht. Wenn die Menschen schweigen, ihren Glauben nicht in Worte und Melodien fassen können, dann sprechen die Steine.
Wer die Sprache der Steine nicht versteht wird jetzt plakativ darauf aufmerksam gemacht, was unsere Kirchen zu sagen haben. Gott schenkt uns Kraft, Liebe und Besonnenheit. Gott ist mitten in unserer Welt anwesend. Sein Wort spricht zu uns. Durch das „Schreien der Steine“. Auch durch den Klang der abendlichen Glocken. Wir singen nicht. Aber wenn wir schweigen, können wir umso genauer hinhören.
Die Glocken übernehmen unseren Gesang und tragen den Klang der Hoffnung in unsere Dörfer. Sie rufen uns zu: Gott will Dir Kraft schenken, Liebe und Besonnenheit!