Ein kleines Licht am 24. April 2020
Mein Kompass
Weder mein Konfirmationsspruch noch mein Taufspruch sind mir groß in Erinnerung geblieben. Aber als ich so 16, 17 Jahre alt war, habe ich mir selbst einen Bibelspruch auf meinen Liederhefter geschrieben. Auf den Liederhefter, aus dem wir jede Woche in der Jugendgruppe und im Mitarbeiterkreis gesungen haben.
Das isser. Foto: Jörg Prahler
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Jesus hat das über sich gesagt und das hat mir eingeleuchtet. Ein Wort wie ein Kompass.
Jesus selber, was er gesagt und was er vorgelebt hat und was er ist, ist der Weg zu einem guten Leben. Die richtige Richtung. Eine Wahrheit, die nicht trügt. Ein Leben, auf das du am Ende zufrieden zurückblicken kannst. Und wahrscheinlich wollte ich damals als junger Mann genau so einen Kompass für mein eigenes Leben haben.
Mit 16, 17 Jahre stellst du bald entscheidende Weichen für dein weiteres Leben. Ich wollte keine Fehler machen. Nichts was du mit 30 oder 40 Jahren oder dein Leben lang bereust. Ich wollte ein Ziel oder Ideale, nach denen ich mich ausrichten konnte. Wofür ich einstehen kann, ohne später zu merken, dass ich komplett falsch gelegen habe. Und ich wollte ein Leben, in dem ich nicht nur Spaß habe, sondern was sich auch richtig anfühlt. Was mir was bedeutet. Ein Leben, das etwas bewirkt.
Nun ist es nicht so, dass ich in meinem Leben tatsächlich jede Entscheidung nur nach meinem Glauben ausrichte. Manchmal denke ich gar nicht viel nach. Manchmal bin ich auch bequem. Und an vielen Entscheidungen – sein wir mal ehrlich – hängt ja auch nicht viel dran.
Aber ich glaube schon, dass ich keine wichtigen Entscheidungen ohne meinen Glauben treffe. Ohne die Frage: „Passt das eigentlich mit diesem Weg, mit dieser Wahrheit und diesem Leben zusammen, für die Jesus steht?“
Dabei hatte ich das in den 80er Jahren doch wirklich noch einfach. Es gab nur drei Fernsehsender. Es gab ein paar Zeitungen, von denen man grob schon wusste, was da drin stand. Und je größer die Buchstaben, desto vorsichtiger musstest du wegen des Inhalts sein. Es gab drei alte Parteien, die man schon gut kannte, und eine neue, die gerade erst hochkam. Gemessen mit heute war alles ganz übersichtlich.
Heute kann jeder bei Mama im Keller sein eigenes Fernsehstudio einrichten und bei Youtube seine eigenen Nachrichten produzieren. Heute werden Informationen, Gerüchte, wirres Zeug, große Wahrheiten und dreiste Lügen schneller verbreitet, geliked, geteilt und getweetet, als sie überhaupt gelesen werden. Geschweige denn hinterfragt oder gar geprüft. Heute wird von manchen einflussreichen Leuten gelogen, ohne dass das irgendeine Konsequenz hat. Hauptsache laut und Hauptsache Reichweite.
Es gibt heute so viele Möglichkeiten, so viele Wege. Aber so viele führen auch nirgendwo hin. Deshalb gehen viele erst gar nicht los. Oder erst möglichst spät. Oder mit halbem Herzen.
Und dein Leben? Das hat sich doch am meisten geändert. Vor allem durch den Einzug von Computern, Smartphone und Internet in den Alltag. Vieles ist echt toll. Manches mach ne Menge kaputt.
Ich bezweifle ja, dass soziale Netzwerke sozial viel bringen. Im Augenblick wegen Corona führt natürlich kein Weg drum rum. Gut, dass wir sie haben. Aber in der Vor-Corona-Zeit?
Leute leben nebeneinander her, jeweils in ihren eigenen Blasen. Lauwarme ,digital gestützte Beziehungen. Viel sitzen und glotzen und weniger Zeit für echtes Leben als noch vor 10, 20 Jahren.
Und wenn das soziale Leben digital so gut funktionieren würde, warum ist die Stimmung dann so viel besser, wenn wir uns in echt sehen? Warum dann dieses „Das müssten wir mal öfter machen“? Und dann hockt doch wieder jeder an seinem eigenen Bildschirm.
Jetzt ist die Lage gerade so, wie sie ist. Ich nutze die Möglichkeiten, die das Netz und die die Medien bieten. Aber wäre Jesus wirklich ins Internet gegangen oder auf den Dorfplatz oder zu dir nach Hause?
Wo wollen wir hin? Was wollen wir glauben? Wie wollen wir leben? Alles offene Fragen, auf die wir immer wieder Antworten brauchen. Ich habe schon so eine Ahnung, wo ich meinen Kompass habe, in all den Durcheinander.
Das achtunddreißigste kleine Licht.
Bleiben Sie gesund oder werden Sie gesund.
Ihr Pastor Jörg Prahler
Das “kleine Licht” erscheint jeden Abend auf der Startseite von Evangelisch-im-Wendland.de und auf der Homepage der Kirchengemeinden Damnatz, Langendorf und Quickborn. Sie können diese Andacht, diesen Impuls oder Gedanken gut in ein Abendgebet einbauen. In Damnatz, Langendorf und Quickborn läuten dazu jeden Abend von 19.15 bis 19.20 Uhr die Glocken. Für das Abendgebet können Sie eine Kerze anzünden. Die Kerze können Sie danach um 19.30 Uhr auf ein Fensterbrett in Richtung Straße stellen. Das ist ein Zeichen der Hoffnung, dass sich zur Zeit ganz viele Menschen in Lüchow-Dannenberg gegenseitig geben.
„Meine Oma hat aber gar kein Internet”? Aber du! Es ist ausdrücklich erlaubt, diese Beiträge auszudrucken, zu verschicken, zu teilen oder zu verlinken. Gebt sie gerne an alle weiter, die sich darüber freuen und vor allem an die, die sonst keine Zugang dazu hätten.
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