Du schreibst Geschichte
Wenn ich jeden Samstag eine Andacht über einen Rocksong mache, dann darf Madsen natürlich nicht fehlen.
Madsen ist mit ein wichtiger Grund, warum ich auf diesen Landkreis stolz bin. Ich kaufe mir jede CD und ich bin ein großer Fan.
Auf dem Konzert im Schwimmbad letztes Jahr in Clenze bin ich zusammen mit meiner Tochter gewesen. Sie wollte direkt vor der Bühne stehen. Also musste ich während des ganzen Konzerts aufpassen, dass mit Wucht anfliegende, Pogo tanzenden Jungmänner nicht mein Mädchen zerquetschen. Ich hatte danach eine Woche Muskelkater und seitdem knackt mein linkes Knie. Eigentlich bin ich zu alt für so einen Quatsch, aber es war ein supergeiles Konzert. Hoffentlich geht im Clenzer Schwimmbad bald wieder eine Umwälzpumpe kaputt.
(Beweisfoto: EJZ – Rouven Groß)
Aber jetzt zur Sache: Ich liebe Madsen, weil sie genau meine Musik spielen. Das ist so, wenn sie rockig oder punkig sind. Das ist so, wenn sie Balladen singen.
Was mir aber darüber hinaus extrem gut gefällt: Die Madsen schreiben fast nur optimistische, positive und aufmunternde Texte. Als ich jung war, da waren die Bands noch ganz anders. Da überboten sich die coolen Bands darin, möglichst deprimierende Texte zu schreiben. Das hat Madsen heute überhaupt nicht nötig! Herzlichen Dank dafür!
Für heute habe ich diesen Song ausgesucht: Du schreibst Geschichte.
Das Stück stammt aus dem Jahr 2006 und ist einer der älteren Songs von Madsen. Aber es ist gleichzeitig immer noch eine richtige Hymne von ihnen.
In dem Text geht es um ein Gefühl, das scheinbar Jüngere und Ältere ganz ähnlich haben können:
‚In der Welt passiert so viel, alles geht so schnell. Was bleibt eigentlich von mir in diesem ganzen Trubel?
Was da auf mich einprasselt, das ist wie ein Monster. Wie ein Ungeheuer. Das alles schüchtert mich ein. Ich halte lieber den Mund.
Alle reden auf mich ein. Sie sagen mir, wer ich bin oder wer ich zu sein habe. Sie sagen mir, was mir fehlt. Dabei vergesse ich, was ich eigentlich selber sagen möchte.‘
Wie gesagt, von alten Menschen höre ich das oft: Dass sie die Welt nicht mehr verstehen. Dass sie nicht mehr mitkommen. Dass sie sich deshalb zurückziehen, sich keine eigene Meinung mehr erlauben. Viele denken, ihre Erfahrungen, würden keinen interessieren. Das wäre gar nichts wert.
Aber Madsen schildert nun gerade für junge Menschen ein ganz ähnliches Gefühl: Viel zu viel prasselt auf dich ein. Du wirst überschwemmt. Du hast Angst, was falsch zu machen. Andere bestimmen über dich.
Vielleicht sind es unterschiedliche Ursachen und vielleicht sieht es im Detail auch noch mal anders aus. Das Lebensgefühl aber erscheint mir gleich.
Und ich frage mich, ob es jetzt in der augenblicklichen Lage nicht gerad noch mal extra schlimm kommt: Keiner kennt sich gerade so richtig aus. Keiner hat Erfahrungen mit dem Corona-Virus. Wir werden zugeschüttet mit Nachrichten, breaking news, Brennpunkten, Sondersendungen. Neuen Einschätzungen und neuen Zahlen. Man könnte den ganzen Tag nur Nachrichten gucken und ist nachher noch verwirrter als zuvor. Es weiß doch keiner, was in der nächsten Woche oder was im nächsten Monat ist.
Und über uns alle wird gerade bestimmt. Und zwar in einer Art und Weise, wie sich das doch früher keiner hätte vorstellen können: Der Staat sagt dir, dass du deinen Geburtstag nicht feiern darfst, dass du deine Eltern nicht besuchen kannst, dass du nicht ins Konzert oder ins Schwimmbad gehen darfst. All unsere ganz selbstverständlichen Freiheiten sind auf einmal weg. Und du weißt nicht, wann du die überhaupt mal wiederkriegst. Das mag ja alles gerade so sein müssen. Trotzdem ist das ein ganz komisches, ein blödes Gefühl.
Und Madsen singen dagegen an. Sie singen: „Du schreibst Geschichte. Mit jedem Schritt, mit jedem Wort, setzt du sie fort. Du schreibst Geschichte, an jedem Tag. Denn jetzt und hier bist du ein Teil von ihr“.
Madsen drehen die ganze Sache um. In dem ganzen Wirrwarr, in dem Gefühl, zu klein, zu unbedeutend und zu ohnmächtig zu sein. Madsen dreht die Sache um und behauptet das Gegenteil: ‚Du gehst nicht unter in diesem großen Lauf der Geschichte, sondern du selber schreibst diese Geschichte mit.‘ Das ist genial und da steckt viel Wahrheit drin.
Wir Christinnen und Christen glauben ja sowieso, dass Gott keinen von uns aus den Augen verliert. Wenigstens Gott sieht schon mal jeden Schritt und kennt jeden Gedanken von uns. Egal wie sich die Welt auch dreht und wirbelt, ich habe immer die volle Aufmerksamkeit von Gott.
Dazu kommt: Jeder noch so kleine Beitrag von jedem noch so unbedeutenden Menschen ist wichtig in Gottes großem Plan. Das Reich Gottes, von dem Jesus gesprochen hat, funktioniert genau so: Die allerkleinsten Anfänge von dieser guten Sache werden irgendwann groß. Aus dem allerkleinsten Samenkorn wächst ein großer Busch. Ein kleines bisschen Sauerteig verwandelt einen Trog voll Mehlpampe in Brotteig.
Und die Geschichte des Christentums ist doch selbst der beste Beweis: Elf Jünger waren nach Ostern übrig geblieben. Und Jesus noch für ein paar Wochen, nachdem er auferstanden war. Elf einfache Leute aus einer armseligen Provinz aus eine heruntergekommenen Ecke des römischen Imperiums. Und 2000 Jahre später ist die christliche Kirche die größte Glaubensgemeinschaft der Welt.
Gott schreibt eine Wahnsinnsgeschichte aus all den kleinen Geschichten und Entscheidungen, mit den kleinen Taten und Fußstapfen unendlich vieler normaler und nicht besonders herausragender Menschen.
Und so schreiben wir auch gerade Geschichte. Jeder leistet seinen Beitrag. An deinem Ort. Zu deiner Zeit. Und auch wenn die Welt für dich gerade unübersichtlich ist. Und wenn du dich wie ein Tropfen im Meer fühlen magst, du bist unendlich viel mehr. Du bist Gottes geliebtes Kind auf Erden.
Also verliere nicht den Mut. Schreib deinen Teil. Hilf mit, wo du kannst. Und hör dabei gerne die Musik, die du magst.
Ach ja, Madsen singen auch: „Weil du nur einmal lebst, willst du, dass sich was bewegt, bevor du gehst“.
Das mit dem einmal leben, sehe ich ein bisschen optimistischer. Aber gerade deshalb will ich ja auch, das sich was bewegt. Deshalb bin ich ja überhaupt sicher, dass sich was zum Guten bewegen wird. Aber das wäre schon wieder Stoff für die nächste Andacht.
Das zweiunddreißigste kleine Licht.
Bleiben Sie gesund oder werden Sie gesund.
Ihr Pastor Jörg Prahler
Hier ist noch mal der ganze Songtext:
Du schreibst Geschichte
Weil die Welt sich so schnell dreht
Weil die Zeit so schnell vergeht
Kommst Du nicht hinterher
Weil die Hektik sich nicht legt
Und Du in der Masse untergehst
Bist du ein Tropfen im Meer
Doch Du lebst länger als ein Leben lang
Du bist das womit alles begann
Denn Du schreibst Geschichte
Mit jedem Schritt
Mit jedem Wort
Setzt Du sie fort
Du schreibst Geschichte
An jedem Tag
Denn jetzt und hier
Bist du ein Teil von ihr
Weil ein Monster vor dir steht
Und die bedrohlich in die Augen sieht
Bist Du lieber still
Weil jeder Dir erzählt
Wer Du bist und was Dir fehlt
Vergisst Du, was Du sagen willst
Doch Du lebst länger als ein Leben lang
Du bist das womit alles begann
Denn Du schreibst Geschichte
Mit jedem Schritt
Mit jedem Wort
Setzt Du sie fort
Du schreibst Geschichte
An jedem Tag
Denn jetzt und hier
Bist du ein Teil von ihr
Weil du nur einmal lebst
Willst du, dass sich was bewegt
Bevor du gehst
Bevor du gehst
Du lebst länger als ein Leben lang
Du bist das womit alles begann
Denn Du schreibst Geschichte
Mit jedem Schritt
Mit jedem Wort
Setzt Du sie fort
Du schreibst Geschichte
An jedem Tag
Denn jetzt und hier
Bist du ein Teil von ihr
Das “kleine Licht” erscheint jeden Abend auf der Startseite von Evangelisch-im-Wendland.de und auf der Homepage der Kirchengemeinden Damnatz, Langendorf und Quickborn. Sie können diese Andacht, diesen Impuls oder Gedanken gut in ein Abendgebet einbauen. In Damnatz, Langendorf und Quickborn läuten dazu jeden Abend von 19.15 bis 19.20 Uhr die Glocken. Für das Abendgebet können Sie eine Kerze anzünden. Die Kerze können Sie danach um 19.30 Uhr auf ein Fensterbrett in Richtung Straße stellen. Das ist ein Zeichen der Hoffnung, dass sich zur Zeit ganz viele Menschen in Lüchow-Dannenberg gegenseitig geben.
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