Gedanken zum Tag
„ Uns geht es gut. Wir wohnen auf dem Land weitab von den anderen. Eigentlich ist für uns alles wie immer. Uns geht es gut. Telefonieren tun wir sowieso schon immer.“ „Wir haben einen großen Garten, der hält uns jetzt in Schwung.“ „Ich bin froh, dass ich keine kleinen Kinder mehr habe.“„Ich bin froh, dass wir nicht in einer Etagenwohnung leben.“ „Ich bin froh, dass ich auf dem Land lebe, nicht in einer Großstadt.“ „Wir haben es hier im Wendland doch noch gut!“ Ich bin froh – und oft fällt dann dieser andere Satz: „Die armen Menschen, die in einer engen Wohnung leben, in der Großstadt leben, die keinen Garten haben, die sich nicht aus dem Weg gehen können…“ Ich bin froh. Darf ich das sein? Darf ich das sagen?
Ich finde, es ehrt alle, die fast in einem Atemzug auch an die denken, denen es anders geht. Ich höre darin echtes Mitgefühl. Nicht bloß Entschuldigung. Nicht bloß Glück gehabt. Ich bin froh, wenn andere nicht froh sein können. Das muß man auch erst einmal aushalten können. In diesen Tagen wird es so sichtbar und so hörbar, dass die Möglichkeiten so ungleich verteilt sind. Ich bin froh. Das darf ich sein, ohne es madig machen zu wollen. Ich bin froh. Das öffnet auch den Blick für die anderen. Endlich, denke nicht nur nicht. Endlich fängt man an, es öffentlich zu sagen, dass die Menschen, die heute das Leben unserer Gesellschaft am Laufen halten, die Verkäuferinnen und Verkäufer, die von der Post, die die Zeitung bringen, die Menschen in den Pflegeberufen in den Heimen und Kliniken, die in den Frauenberufen – dass und wie sehr sie alle grundsätzlich unterbezahlt sind für die nötige Arbeit, die sie tun. „Wir sitzen alle in einem Boot, aber ihr seid diejenigen, die rudern!“ Mir fällt ein dreibeiniger Hocker ein. Würde man ein Bein kürzer sägen, würde er kippeln oder kippen. Die drei Beine hängen zusammen, wie das höchste Gebot der Liebe: Liebe Gottes Dasein und deine Mitmenschen wie dich selbst. Keines geht ohne das andere.
Pastorin Susanne Ackermann
St. Johannis Dannenberg
4. April 2020