Gedanken zum Tag
Sonst steht es gleich auf der ersten Seite in der Zeitung, dick hervorgehoben mit rotem Stundenanzeiger: Zeitumstellung. Eine Stunde zurück. Aufpassen. Nicht vergessen. Wichtig. In diesem Jahr keine Notiz, eine kleine Bemerkung am Ende der Zeitung. Nicht der Rede wert. Nicht so interessant. Unerheblich. Es gibt Wichtigeres. Und: hat man heute kaum gemerkt, eigentlich gar nicht. Mir fehlt die Stunde nicht. Ich habe sowieso zu viel davon. „Was ist heute eigentlich für ein Tag? Mittwoch, Freitag? Und welches Datum haben wir heute?“ Ich muss im Kalender nachsehen. Mir fällt eine alte Dame im Altenheim ein. Die wusste das auch sehr schnell nicht mehr. Und wenn ich mich mit ihr verabredet hatte, war sie immer von meinen Besuch überrascht, obwohl ich mich doch mit ihr verabredet hatte. Nun steh ich selber da und die Zeit verflüchtigt sich. Die Sonne scheint jetzt. Was gestern war, ist vorbei. Was morgen sein wird, ist noch nicht heraus. Also, was kümmert es dich. Jetzt ist der Moment. Und das Leben ist jetzt. Und was du tun kannst ist jetzt. Ja, ich weiß, es gibt kluge Zeitforscher, die sagen: Zeit gibt es nicht. Das Zeitgefüge ist menschengemacht um in einer Gesellschaft zu leben und sich zu recht zu finden. Wenn der Wecker klingelt, dann aber los, raus den Federn, die Arbeit ruft, die Pflichten und die Notwendigkeiten. Liegen bleiben geht nicht. Nur mit schlechtem Gewissen. Kinder, kleine Kinder haben keine Zeit. Erwachsene haben keine Zeit, aber bei denen klingt das anders. Keine Zeit. Ich habs eilig! Kleine Kinder leben zeitlos, ohne Uhr im Kopf. In der Erinnerung wird es später nur ein Sommer gewesen sein, was sich anfühlt wie ein halbes Leben. So voll von Phantasie und Glück und Sonnenschein. Großes Leid erleben Kinder allerdings auch so. Für immer.
Uhr weg? Nein. Ich brauche sie, damit ich weiß, wann der Tatort anfängt. Aber die Kinderseele geht auch mal mit. Werdet wie die Kinder. Lasst euch beschenken – vom Höchsten das Beste. Die Zeit ist deine. Jetzt hast du alle Möglichkeiten, den Wecker auszustellen und zu erleben, was heute alles geht.
Pastorin Susanne Ackermann
St. Johannis Dannenberg
30. März 2020