Worte zur Besinnung in der EJZ vom 18. März 2023
Am 19. März 1911, also morgen vor 112 Jahren, fand der erste Internationale Frauentag statt. Eine Million Frauen (und einige Männer) demonstrierten weltweit dafür, dass Frauen gleiche Rechte bekommen. Dass sie ihr Leben selbstbestimmt gestalten können und in der Öffentlichkeit sichtbar werden.
Heute kommt es mir manchmal so vor, als ob junge Mädchen sich selbst eher unsichtbar machen: Indem sie immer weniger essen und immer dünner werden. Oder wenn sie so leise sprechen, dass sie fast nicht zu hören sind. So verschwinden sie aus der Öffentlichkeit.
Die Bibel erzählt, dass Jesus einem jungen Mädchen helfen soll. Sie ist zwölf Jahre alt, also am Übergang zwischen Mädchen und junger Frau. Jesus wird von den besorgten Eltern zu ihr gerufen, weil sie sich ganz aus dem Leben zurückgezogen hat. Wie tot ist sie. Von ihrer Familie und den Freunden wird sie betrauert und beweint.
Aber vielleicht betrauert die junge Frau die für sie vorgesehene zukünftige Rolle in der Welt – und zieht sich zurück. Weil sie so nicht leben will?
Jesus schickt die um das Mädchen versammelten Menschen weg: Er schafft Freiraum, nimmt das Mädchen bei der Hand und richtet sie auf. Das kann man wörtlich und im übertragenen Sinn verstehen. „Talitha kumi – Mädchen, ich sage dir, steh auf!“ (Mk 5,41) Und die junge Frau steht auf und geht im Raum umher. Als Jesus weggeht, sagt er zu den Eltern: Gebt ihr etwas zu essen.
Freiraum und Essen (dürfen) – das ist ein Gegenprogramm dazu, sich unsichtbar zu machen. Dann können junge Mädchen leben und sichtbar sein, um ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten.
Jeanette Kantuser, Schulpastorin und Pastorin im Kirchenkreis