weil ich Jesu Schäflein bin

 

Weil ich Jesu Schäflein bin

freu ich mich nur immerhin über meinen guten Hirten, der mich wohl weiß zu bewirten, der mich liebet, der mich kennt und bei meinem Namen nennt. – ein Lied aus dem Kindergottesdienst in alten Zeiten. Lang ist es her. Das Bild vom Hirten und von der Herde Schafe. Als Erwachsene mochte ich es nicht mehr und fand weder mich noch Gott darin wieder. Menschen sind nicht wie Schafe. Idioten vielleicht – manchmal, aber nicht Schafe. Wir tragen die Verantwortung für das, was geschieht. Wir können und dürfen uns nicht heraushalten. Dass die Welt uns egal wird, andere werden es schon richten. Solche Schafe sind wir nicht. Und Gott ist auch nicht so ein Gott, der uns die Verantwortung abnimmt und uns sagt, wo es langgeht, und uns Entscheidungen abnimmt.
Nun ist dieses Bild aber in der Welt, in der Kirche. Ein Prophet der Bibel kritisiert genau mit diesem Bild die Politik seiner Zeit. Gott wird sie richten, die falschen Hirten. Da fallen starke Worte gegen die Regierenden. Sie haben versagt. Nicht aus Schwäche haben sie versagt, sondern sie haben aus Bosheit und Egoismus das Volk zugrunde gerichtet. Sie haben gehandelt wie Hirten, die nur ihren Profit aus der Herde ziehen, sich aber nicht um das Wohl und den Bestand der Herde kümmern. Sie haben sich selbst geweidet. Deshalb ist die Herde zerstreut in alle Welt und das Land und Jerusalem zerstört. Die schlechten Hirten werden ihre Strafe bekommen.
Sie weiden nur sich selbst. Das kennen wir auch. Immer noch. Wenn die Hirten sich selbst weiden, geht’s schief. Und das andere auch: wenn die Herden sich selbst weiden, geht’s auch schief. In unserer Gesellschaft ist eine Entwicklung im Gang, die unsere Gesellschaft in Gruppen spaltet, die nicht mehr miteinander kommunizieren können, weil jede Gruppe ihre eigene Wahrheit, ihre eigene Sicht der Dinge hat. Wer darf das Gedicht einer schwarzen Frau übersetzen? Nur eine schwarze Frau. Oder das Kabarett. Irgendjemand ist immer beleidigt und fühlt sich angegriffen. Das ist tödlich für jede freie Meinungsäußerung.
Der Prophet hat die Zusage Gottes gehört: Ich selbst bin ihr Hirte und ich selbst sorge für sie, wie es recht ist. Und das beginnt damit, dass Gott sich um Verlorengegangen und die Verletzten und die Schwachen kümmert. Für sie alle gibt es eine Zukunft. Und diese Zukunft beginnt eben nicht damit, dass sich jemand aufrafft und neue Verhältnisse schafft, es besser macht als die alten Regierenden, sondern diese Zukunft beginnt mit Gott. Weil Gott sich zum Hirten macht. Gott wird nicht die Politik machen, sondern das Herz der Menschen trösten, stärken, sammeln, frei machen für einander. So fängt Gottes Gerechtigkeit an. Später war es der Sohn Gottes, der Gottes Zuwendung zu den Kleinen in die Welt brachte. Die Frage ist dann: Kann ich das glauben? Kann ich ihm glauben, dass Gott liebt? Gott liebt und das ist seine Gerechtigkeit.
Es wird eine Geschichte von dem großenTheologen Karl Barth erzählt. Er war Professor. Karl Barth hatte eine 13 bändige theologische Dogmatik geschrieben. 9.300 Seiten!  Er wurde gefragt, ob er seinen christlichen Glauben auch in einer Kurzform beschreiben könne. Und Karl Barth antwortet: weil ich Jesu Schäflein bin.
Wie bitte? …Weil ich Jesu Schäflein bin.   So einfach, ein hochintelligenter Professor und ein Kinderlied? Vielleicht hat Karl Barth recht. Am Ende ist das Einzige, was wirklich zählt, ganz einfach: dass es jemanden gibt, der uns von Herzen liebt. Vielleicht kommt man am Ende, nach 9300 Seiten Dogmatik, nach einem langen Weg des Glaubens und Lebens wirklich zu so einer Einfachheit, die so kindlich klingt, aber nicht kindisch ist. Wenn Glaube wirklich erlebt, erlitten, erbetet worden ist. Aber erst dann.

St. Johannis Dannenberg
Pastorin Susanne Ackermann
16. Kalenderwoche