Schäfchen und Hirten – Gottesdienst am Sonntag Misericordias Domini in Quickborn und Langendorf

Orgel zum Beginn

Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben. (Johannes 10)

Eine/r: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Alle: Amen.

Eine/r: Unsere Hilfe kommt von Gott, unserem Herrn, Alle: der Himmel und Erde gemacht hat.

Psalm 23 im Wechsel

Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.

Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.

Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

Einer: Kyrie eleison. Alle: Herr, erbarme dich. Einer: Christe eleison. Alle: Christe, erbarme dichEiner: Kyrie eleison. Alle: Herr, erbarm dich über uns.

Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schaden. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat. Nun ist groß Fried ohn Unterlass. All Fehd hat nun ein Ende.

Eingangsgebet

Da sind wir, Gott. In deiner Nähe suchen wir Schutz. Die Pandemie erschüttert unser Leben schwer. Bis in die Grundfesten. Hilf du uns standhalten. Das dunkle Tal scheint kein Ende zu nehmen. So viele Menschen haben ihr Leben verloren. Heute denken wir an sie und bitten dich: Sprich tröstend mit uns an diesem Morgen. Lass uns spüren: Du bist da. Und lebst mit uns in deinem Sohn. Alle: Amen

Liedvortrag mit Gitarre: Da wohnt ein Sehnen tief in uns

Refrain: Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott, nach dir, dich zu sehn, dir nah zu sein. Es ist ein Sehnen, ist ein Durst nach Glück, nach Liebe, wie nur du sie gibst.

1. Um Frieden, um Freiheit, um Hoffnung bitten wir. In Sorge, im Schmerz – sei da, sei uns nahe, Gott.

2. Um Einsicht, Beherztheit, um Beistand bitten wir. In Ohnmacht, in Furcht – sei da, sei uns nahe, Gott.

3. Um Heilung, um Ganzsein, um Zukunft bitten wir. In Krankheit, im Tod – sei da, sei uns nahe, Gott.

4. Dass du, Gott, das Sehnen, den Durst stillst, bitten wir. Wir hoffen auf dich – sei da, sei uns nahe, Gott.

Der Predigttext steht beim Propheten Hesekiel im Kapitel 34,1-2, 10-16. 31

Und des HERRN Wort geschah zu mir: Du Menschenkind, weissage gegen die Hirten Israels, weissage und sprich zu ihnen: So spricht Gott der HERR: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden?
So spricht Gott der HERR: Siehe, ich will an die Hirten und will meine Herde von ihren Händen fordern; ich will ein Ende damit machen, dass sie Hirten sind, und sie sollen sich nicht mehr selbst weiden. Ich will meine Schafe erretten aus ihrem Rachen, dass sie sie nicht mehr fressen sollen.
Denn so spricht Gott der HERR: Siehe, ich will mich meiner Herde selbst annehmen und sie suchen. Wie ein Hirte seine Schafe sucht, wenn sie von seiner Herde verirrt sind, so will ich meine Schafe suchen und will sie erretten von allen Orten, wohin sie zerstreut waren zur Zeit, als es trüb und finster war. Ich will sie aus den Völkern herausführen und aus den Ländern sammeln und will sie in ihr Land bringen und will sie weiden auf den Bergen Israels, in den Tälern und wo immer sie wohnen im Lande.
Ich will sie auf die beste Weide führen, und auf den hohen Bergen in Israel sollen ihre Auen sein; da werden sie auf guten Auen lagern und fette Weide haben auf den Bergen Israels. Ich selbst will meine Schafe weiden, und ich will sie lagern lassen, spricht Gott der HERR.
Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist.
Ja, ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide, und ich will euer Gott sein, spricht Gott der HERR. Alle: Halleluja

Credo

Alle: Wir glauben an Gott, den himmlischen Vater, den Schöpfer der Welt, der uns geschaffen hat, damit wir Leben erhalten, Frieden entwickeln und Sorge tragen, für den Bestand der Erde, weil die Menschen dieser Welt zusammengehören in Gleichheit und Gerechtigkeit.

Wir glauben an Jesus Christus, unseren Herrn, geboren als Mensch in Israel von Maria, erwählt, mit seinem Leben die Nähe Gottes zu bezeugen. Er verkündete den Gefangenen Freiheit, den Blinden, dass sie sehen, den Unterdrückten und Armen Befreiung. Er litt, wurde gefoltert und getötet am Kreuz mit Gewalt von den Mächtigen unter Pontius Pilatus und wurde auferweckt zum Leben und zur Hoffnung für alle.

Wir glauben an den Heiligen Geist, die Kraft des neuen Lebens in Jesus Christus, der auch uns und alle Verhältnisse ändert, der uns reich macht im Glauben und der uns sendet mit dem Ziel, allen Menschen Hoffnung zu bringen auf einen neuen Himmel und eine neue Erde. Amen.

Lied EG 595

1.) Fürchte dich nicht, gefangen in deiner Angst, mit der du lebst. Fürchte dich nicht, gefangen in deiner Angst. Mit ihr lebst du.

2.) Fürchte dich nicht, getragen von seinem Wort, von dem du lebst. Fürchte dich nicht getragen von seinem Wort. Von ihm lebst du.

3.) Fürchte dich nicht, gesandt in den neuen Tag, für den du lebst. Fürchte dich nicht, gesandt in den neuen Tag. Für ihn lebst du.

Predigt

Wenn man das Wort Pastor aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt, dann heißt das „Hirte“. Und wenn ich nun der Hirte sein soll, dann wäret ihr hier also jetzt meine Schafe.

Aber ich kenne ehrlich gesagt keinen Pastor oder keine Pastorin, die heute noch ernsthaft von ihrer Gemeinde als ihren „Schäfchen“ reden würde. Das wäre auch ziemlich bescheuert und respektlos. In meinem Bekanntenkreis benutzt das Wort eigentlich nur noch mein alter Kumpel Klaus aus Göttingen. Wenn ich den mal spreche, dann fragt er gerne irgendwann: „Na, und wie geht es dir mit deinen Schäfchen?“ Aber dahinter steckt wahrscheinlich eher der Unglaube, dass ich wirklich richtig Pastor geworden bin. So mit Talar am Sonntag im Gottesdienst am Altar vor der Gemeinde.

Er sieht in mir immer noch den Studenten, der mit zotteligen Haaren und zerrissener Hose in seinem Kopierladen gearbeitet hat. Der mit den Kunden und den Kollegen da Quatsch gemacht hat. Und der mit ihm zusammen bis nachts um drei im ihm im Cafe Kreuzberg am Kicker gestanden hat. Klaus sagt zu mir auch ab und zu: „Hochwürden“. Und zu euch dann „Schäfchen“. Klaus ist ein netter Kerl. Ihr würdet ihn mögen. Es ist nicht böse gemeint. Und tatsächlich: Es war ein langer Weg von mit aus dem Copy-Team in Göttingen bis hier in die Gemeinde.

Ich rede nie von mir als Hirten. Und erst recht nicht von der Gemeinde als Schafen. Es ist ein altes Bild und ich finde, es ist ein überholtes Bild. Aus einer Zeit, in der von Demokratie und Gleichheit noch nicht viel die Rede war. Aus einer Zeit, in der es noch Herren und noch Knechte gab. In der nur wenige Menschen lesen konnten und gebildet waren. Und in der sich die meisten Leute über viele Dinge gar kein Urteil bilden konnten.

In dieser Zeit gab es in Israel und in den Ländern rings ums Mittelmeer noch viele Hirten. Männer und vielleicht auch ein paar Frauen, die große Herden von Schafen und Ziegen durch karge Landschaften trieben. Jeden Tag zu einem anderen Weidegrund. Jeden Tag zu einer der wenigen Wasserstellen und zu einer anderen dürren Weide, die nach wenigen Stunden schon wieder abgegrast waren.

Diese Hirten mussten schlau und vorausschauend handeln, um ihre Tiere satt zu kriegen und gesund zu erhalten. Wenn sich ein Tier verletzte, mussten sie sich um es kümmern. Wenn ein Schaf von der Herde getrennt wurde, dann mussten sie es wieder zurückbringen. Wenn sich Wölfe oder Berglöwen in der Gegend herumtrieben, dann musste sich der Schäfer denen in den Weg stellen. Nur mit seinem Knüppel und mit seinem Schäferhund.

Hirten waren zu der Zeit mutige, hart arbeitende Menschen. Sie waren nicht unbedingt reich. Aber sie waren wahrscheinlich anerkannt und hoch geschätzt. Zumindest ist es heute noch so auf dem Land in Afghanistan: Der Hirte gilt im Dorf mehr als der Lehrer. Denn der Hirte sorgt dafür, dass das Dorf Fleisch, Käse, Wolle und Milch hat. Der Lehrer kümmert sich bloß um die Kinder, die von ihren Eltern gerade nicht für die Arbeit gebraucht werden. Das ist kein Witz, das ist wirklich so. Warum sollte es also vor zwei-, dreitausend Jahren groß anders gewesen sein?

Die Hirten umgab auch ein Hauch von Abenteuer und Gefahr. Gute Weiden waren rar. Rund um die Dörfer war schnell alles abgegrast. Zumindest eine Zeit des Jahres brachten manche Hirten deshalb allein in der Wildnis zu. Oder sie kehrten nur alle paar Tage wieder in den Schutz des Dorfes zurück. So was konnte man nicht jedem zutrauen.

Aus all diesen Gründen war das Bild von den Schafen und ihrem Hirten auch ein Bild, was Herrscher und Könige für sich übernahmen. Ein Herrscher wacht über sein Volk, so wie sich ein Schäfer um seine Herde kümmert. Er sorgt dafür, dass alle zu essen haben und vor allen äußeren Gefahren bewahrt sind.

Es war ja auch eine Zeit, in der die Menschen sich ihre Regierung nicht selber gewählt haben. Der Hirte wurde ihnen von Geburt an vorgesetzt. In der Regel war das dann der älteste Sohn vom alten König. Und das Volk wurde dazu auch nicht nach seiner Meinung gefragt. So wenig wie ein Hirte mit seinen Schafen redet. Also musste ein Herrscher schon irgendwie selbst rausfinden, was seine Untertanen zum Leben brauchten. Was sie nötig hatten, um zufrieden und im Wohlstand zu leben.

Oder eben auch nicht. Und genau deswegen sprach man damals auch von guten oder eben von schlechten Hirten: Der gute Hirte, der kümmerte sich um seine Schafe und der stellte seine eigenen Bedürfnisse hinten an. Ein schlechter Hirte, der machte sich so wenig Arbeit wie möglich. Unter dem gediehen die Schafe schlecht und unter seiner Führung ging schnell auch mal ein Schaf verloren. Aber den schlechten Hirten, den juckte so was nicht.

Der Prophet Hesekiel hat da also ziemlich schlechte und gewissenlose politische Anführer vor Augen. Und die klagt er an: Hirten, die sich selber weiden. Herrscher, die reich und fett werden, während das Volk zu kurz kommt, ins Unglück gerät, hungert und darbt.

Nun können Schafe ihren Hirten ja nicht abwählen. Genau so wenig konnte ein Volk im Orient damals einen schlechten Herrscher so einfach loswerden. Vor allem, wenn sich eine ganze Clique da oben gegen das eigene Volk verschworen hatte. Ein einzelner unbeliebter König, der musste schon mal relativ schnell seinen Thron räumen. Ziemlich viele Könige und Kaiser in der Zeit sind zum Beispiel nicht besonders alt geworden. Und der Beruf des königlichen Vorkosters war ein gefährlicher Job.

Aber wenn alle im Palast oder in den Oberschicht mit ihrem König ganz zufrieden waren? Und wenn nur das Volk zu klagen und stöhnen hatte? Dann war das für das Volk eine besonders schlimme Lage.

Hier bringt der Prophet Hesekiel Gott selbst als guten Hirten ins Spiel. Die schlechten Herrscher und Behüter Israels sollen sich nicht zu sicher fühlen. Gott selber würde sie absetzen und sich an ihre Stelle setzen. Oder vielleicht andere Hirten damit beauftragen, die ihre Sache besser machen.

Der Prophet regt zwar keine Neuwahlen an – so weit war man damals in Israel noch lange nicht. Aber er sagt voraus: Eine Regierung, die das Volk schlecht behandelt, wird sich nicht ewig an der Macht halten können. Und wer Verantwortung für das Volk trägt und wer sich dann nur selbst die Taschen vollstopft, der wird irgendwann abgesetzt und zur Rechenschaft gezogen. Wie gesagt: Damals rechnete der Prophet Hesekiel nicht mit demokratischen Wahlen, in denen sich die Volksvertreter regelmäßig und immer wieder dem Willen des Volkes stellen mussten.

Aber eine schlechte Regierung würde über kurz oder lang ihre Macht verlieren. Zur Not regelt das eben Gott mit Hilfe der Nachbarn, der einen schlechten und korrupten König einfach mal vom Thron stößt. So wie es zum Beispiel dann später die Babylonier getan haben.

Aber Gott lässt das Volk dann nicht im Stich. Jeder Untergang ist die Chance, sich neu zu besinnen. Die Israeliten sollten sich in der Verbannung vollkommen neu aufstellen und sich vollkommen neu ordnen. Von da an ohne schlechte eigene Könige. Aber leider dann auch oft genug auch wieder mit schlechten fremden Königen, Statthaltern, Vasallenfürsten und mit von anderen Herrschern eingesetzten Beamten.

Gott, der gute Hirte, und später Jesus, der gute Hirte, regierten die Welt nicht als Könige. Ihre Herrschaft auf Erden blieben Wunsch und Hoffnung. Sie wurden keine politische Realität. Bei Hesekiel angekündigte Idealbilder von Anführern, die sich stark und mächtig und dann trotzdem gut, vorausschauend, selbstlos und freundlich um ihr Volk kümmern.

Die politische Realität in der Welt sah doch dann meist ganz anders aus. Wer an unserer Demokratie zweifelt und wer unsere Parteien und Politikerinnen und Politiker am liebsten alle aus dem Land jagen möchte, weil er einen richtigen und guten Anführer an die Spitze setzen möchte, der kann ja gerne mal im Alten Testament herumblättern. Oder in allen möglichen Geschichtsbüchern.

Einen guten Hirten als echten Politiker, als König, Kaiser, Königin wirst du da nicht finden. Viele schlechte Hirten. Viel Mittelmaß. Eine Menge „Geht so“. Und dass mal alle so rundum zufrieden waren, das findest du selten. Eigentlich fast nie. Und dass so jemand Gutes nun ausgerechnet an die Macht gekommen ist, weil er als Königssohn oder Königstochter von Geburt an dazu ausersehen war – das gibt es wohl nur im Märchen.

Und bei Leuten, die sich selbst als Führer und als Retter des Volkes empfohlen haben, haben gerade wir Deutsche ganz besonders schlechte Erfahrungen gemacht.

Schaf und Hirte, Volk und Führer – für mich sind das allesamt Konzepte, die auf den Müllhaufen der Geschichte gehören. Und je lauter da einer schreit und drängelt, desto vorsichtiger werde ich. Desto genauer höre ich hin. Und desto eher sage ich: „Och nö. Lieber nicht.“

Wir sind keine Schäfchen. Nicht als Volk und nicht als Gemeinde. Nicht als Bewohnerinnen und Bewohner dieses Landes. Deshalb brauchen wir alle auch keine Hirten, die uns alles abnehmen. Wenigstens keine Menschen, die sich als Hirten aufspielen. Wir sind alle Menschen. Kinder Gottes. Gleich viel wert. Wir sind mündige Bürgerinnen und Bürger. Wir haben einen Kopf und ein Gehirn und gerade das sollte wir alle auch benutzen. Jede und jeder einzelne von uns.

Allerdings fällt mir auf, dass gerade jetzt wieder Leute unterwegs sind, die gern und viel von Menschen als Schafen sprechen. Sogenannte „Querdenker“. Leute, die von sich behaupten: „Sie würden ja ihren eigenen Kopf benutzen. Sie würden die Dinge durchschauen. Sie würden nicht länger als Schafe ihrem Schlachter hinterher rennen. Sie würden nicht länger wie dumme Schafe alles glauben und alles nachblöken.“ Womit sie meinen, dass alle anderen außer ihnen genau das tun würden.

Dabei habe ich gerade bei den Querdenkern eben nicht den Eindruck, als würde da allzu viel nachgedacht. Und vor allem: Warum sollte man den überhaupt zu aller erst quer denken? Ist ausgerechnet quer besonders schlau? Sollte man nicht lieber richtig oder gut oder besonnen nachdenken? Ein mündiger Bürger, eine mündige Bürgerin denkt zu aller erst einmal nach. Ich bilde mich. Ich informiere mich in seriösen Quellen. Und das sind in medizinischen Fragen nun einmal Fachleute. Fachärzte, genauer Virologinnen und Epidemologen. Wahrscheinlich Leute, die irgendwelche Kliniken leiten. Und keine Typen, die in selbstgebastelten Fernsehstudios auf Youtube große Reden halten.

Wer kein Schaf sein möchte, der darf von seiner Regierung oder von den Fachleuten auch nicht erwarten, dass sie allwissende Hirten sind. Natürlich machen die Politikerinnen jetzt nicht alles richtig. Woher sollten sie ausgerechnet jetzt wissen, was richtig ist? Wir haben alle keine Ahnung von der Seuche. Wir lernen erst. Deshalb finden auch Wissenschaftler ständig neue Sachen raus. Deshalb müssen sie immer wieder ihre Empfehlungen ändern und verfeinern. Weil sie jeden Monat mehr wissen. Aber deshalb vertraue ich doch jetzt nicht satt dessen Leuten, die gar nichts wissen, aber alles mögliche glauben.

Ja, es sind in den vergangenen Monaten schwerwiegende Fehler gemacht worden: Die Politik zögert und handelt halbherzig. Je näher die nächsten Wahlen rücken, desto mehr wird das getan, was gefällt. Und weniger das, was nötig wäre. Es wurden zu wenige Masken angeschafft. Zu wenig Impfstoff gekauft. Es wird zu wenig und zu langsam vorgeplant. Insgesamt zu viel Hü und Hott. Aber das ist ja das Gute in der Demokratie: Der Wähler und die Wählerin kann ja entscheiden, wem sie das dann zutraut das besser zu machen. Aber gleichzeitig: Wer hält nur schlaue Reden vom Spielfeldrand und ist nachher schlauer? Wem kann man denn wirklich zutrauen, es besser zu machen? Wer redet nur schlau, schürt Ängste und kriegt es doch selbst nicht hin?

Es ist viel falsch gelaufen, im letzten Jahr. Vor Seite der Kirchen: Hätten wir nicht lauter unsere Stimmen erheben müssen, als die Krankenhäuser und die Altenheime komplett dicht gemacht hatten? Als Menschen einsam und alleine gestorben sind? Hätte man da nicht mit kreativen und schlauen Lösungen wenigstens den engsten Angehörigen die Möglichkeit geben müssen, am Bett ihrer Lieben zu wachen?

Wie ist es zu vertreten, dass manchen so viel zugemutet wird, worauf sie verzichten müssen. Und in manchen Betrieben und Büros geht der Betrieb einfach so weiter. Obwohl doch erwiesenermaßen viel mehr Menschen von Zuhause aus arbeiten könnten. Sind manche Arbeitsbedingungen nicht ohnehin schon unmenschlich – zum Beispiel in Schlachthöfen? Hätte da nicht längst schon was getan werden müssen? Und wieso fällt dem Staat für seine Schulen nichts besseres ein, als im Winter die ganze Zeit die Fenster aufzulassen?

Wir sind kein Land von Schafen und von Hirten. Jeder ist in der Pflicht, mitzudenken und mit vernünftig zu handeln. Wir folgen nicht blind. Wir stellen uns aber auch nicht quer wie trotzige Kinder. In schwierigen Fragen nutzt fundiertes, gesichertes Wissen. Nicht die Meinungen von Leuten, die keine Ahnung haben. Wir halten zusammen und lassen uns nicht auseinander treiben. Wir schützen die Schwachen und denken nicht allein an uns. Wir lassen uns vielleicht nicht alles gefallen. Wir nehmen uns aber auch nicht alles raus. Wir sehen genau hin bei denen, die uns regieren. Aber wir erwarten jetzt auch keine übermenschlichen Dinge und machen ihnen das regieren nicht künstlich schwer.

Und wir verlieren nicht aus dem Blick: Der Feind, das ist die Krankheit. Sie tötet Menschen und sie stürzt Familien ins Unglück. Sie fordert Pflegern und Ärztinnen unglaublich viel ab. Sie verlangt von Lehrern und von Verkäuferinnen, dass sie sich in Gefahr begeben, sich anzustecken. Weil wir weiter einkaufen müssen. Weil unsere Kinder etwas lernen sollen. Aber wenn wir all das verbessern wollen, müssen wir einen klaren Kopf bewahren.

Und natürlich: Es gibt einen guten Hirten, auf den wir unsere Hoffnung setzen können. Aber der ist nicht von dieser Welt. Gerade deswegen hilft mir der Glaube auch, um mich in Geduld zu üben und damit zurecht zu kommen, dass wir Menschen eben Fehler machen. Auch wenn sie regieren und wenn sie regiert werden. Wenn wir falsch entscheiden oder das Richtige nicht tun. Wir können nur versuchen, es so gut zu machen, wie es irgendwie geht. Mehr ist leider einfach nicht drin. Wir scheitern, machen Fehler und versuchen es neu. In einer Demokratie müssen wir uns mit unseren Leistungen immer wieder unseren Wählerinnen und Wählern stellen. Und vielleicht darf es danach wer anderes versuchen. Ob er es dann nun besser schafft oder auch nicht. Aber Menschen werden immer Fehler machen. Wer das nicht sieht, liegt auf jeden Fall falsch.

So gibt es in Wahrheit nur einen wirklich guten Hirten und das ist Gott. Einen, der rettet und der hilft und der vergibt. Alles das ist nötig. Amen.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Orgel nach der Predigt

Fürbittengebet:

Im Gedenken an die Opfer der Corona-Pandemie sind wir heute verbunden. Gemeinsam beten wir.
Es sind über 3 Millionen Menschen weltweit an und mit dem Corona-Virus gestorben. 80.000 Menschen in Deutschland, 23 Menschen in unserem Landkreis. Unfassbar große Zahlen in der Welt und in unserem Land. Unfassbar große Tragödien aber auch hinter jeder einzelnen Zahl. Hinter jedem einzelnen Schicksal.

Vor dir zählt jedes Leben, Gott. Keinen Menschen gibst du verloren. Alle, die gehen mussten: Hole du sie ins Licht bei Dir.

Viele sind einsam gestorben. Niemand durfte bei ihnen sein und ihre Hand halten.

Hilf vertrauen: Du warst da, Gott. Auch in den dunklen Momenten.

Lasst uns den Herrn anrufen: Herr, erbarme dich.
(eine Kerze entzünden)
Beim Abschied auf dem Friedhof hat so viel gefehlt. Nur die Allernächsten durften bei den Trauerfeiern dabei sein. Wir konnten einander nicht in den Arm nehmen.

Steh uns bei, Gott. Allen, die schwer zu tragen haben am Verlust eines Menschen: Schenk Zeichen, die das Dunkle aufhellen.
Überall in der Welt tötet das Virus. Das große Leid verbindet uns miteinander. Besonders hart trifft es Regionen und Menschen ohne eine gute medizinische Versorgung.

An allen Orten, Gott, sorgst du dich um deine Menschen. Du hast ein Auge grade auf die Schwachen. Hilf uns, sie ihm Blick zu behalten.

Lasst uns den Herrn anrufen: Herr, erbarme dich.
(eine Kerze entzünden)
Die politisch Verantwortlichen müssen täglich neu entscheiden und abwägen, was jetzt gut ist.
Für die Gesundheit und für das Leben der Menschen.
Gib Du die Weisheit, die immer wieder nötig ist.
Nach den langen Monaten der Pandemie kommen viele von uns an ihre Grenzen. In ihrer Arbeit und in ihrem Miteinander zuhause. Existenzen sind bedroht. Die Freude am Leben wird uns schwer. In der Stille sagen wir dir, um wen wir uns besonders sorgen.

Wir bitten dich um Kraft und um langen Atem: Das dunkle Tal geht zu Ende. Führ du uns zum frischen Wasser. Stärke uns täglich für den Weg.

Lasst uns den Herrn anrufen: Herr, erbarme dich.

(eine Kerze entzünden)

Alle : Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Eine/r: Und nun geht hin im Frieden des Herrn!

Segen:

Der HERR segne dich und behüte dich. Der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei der gnädig. Der HERR erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden. Amen.

Orgel zum Abschluss