Wer braucht denn sowas? (9. Kalenderwoche)

Wer braucht denn sowas?
Ich nenne es das Müllwissen im Kopf. Noch nie zu irgendetwas gut gewesen. Der Geburtstag von Netti 4. August. Netti war die Schulfreundin meiner kleinen Schwester. Warum merke ich mir Nettis Geburtsdatum – bis heute? Ich weiß es nicht. An jedem 4. August denke ich: ah, Netti hat Geburtstag. Was geht mich Netti an oder ihr Geburtstag? Oder Erika H. 24. Juni – ein halbes Jahr vor Weihnachten und ein halbes Jahr nach Weihnachten – aber was geht sie mich an? Ihr Geburtsdatum? Oder schlimmer noch der Geburtstag meines Lateinlehrers, 2. Oktober? Was soll dieser Datenmüll in meinem Gehirn? Noch dazu aktiv. An jedem 4. August, 24. Juni, 2.Oktober. Wozu? Wie kriege ich das weg? Netti habe ich mal zum Geburtstag geschrieben, die hat sich sehr gewundert, aber verändert hat sich nichts in meinem Kopf. Müllwissen. Zu nichts gut. Verborgene Schubladen im Algorhythmusspace. Dabei würde ich mir gern anderes merken, wichtiges von heute, meinetwegen auch von gestern. Zahlen aus der Entwicklung der Kirche, Namen von Journalisten, die aus politischen Gründen im Gefängnis weggesperrt wurden, auch aus dem nahen Umfeld, manche Namen merke ich mir nie – das verstehe ich auch nicht. Als gäbe es da eine Sperre. Du mußt Erfahrungen damit machen, eine gefühlsmäßige Verbindung dazu haben…. sagt man. Aber das funktioniert nicht. Funktionierte schon für Netti nicht.
„Alles egal, was Sie in Physik wissen oder nicht wissen, Hauptsache sie wissen im entscheidenden Moment die richtigen Worte… ich liebe dich, sagte mal ein Physiklehrer. Lange ist es her. Und ich weiß es noch. Weil es mich beeindruckt hat, seine Lebensweisheit mitten in öder Physikstunde. Wissen ist nicht Weisheit. Wissen ist eine Kopfsache, Weisheit eine Herzenssache. Weisheit hat mit dem Leben zu tun, wenn alle nicken, weil es wahr ist und weil man es auch kennt und darum weiß. Eine Weisheit in dieser Woche: Da ist Rechtsbruch statt Rechtspruch. Da ist Schlechtigkeit statt Gerechtigkeit. Wissen wir. Gottes Zorn aber – so kann Gott eben auch – ist die Liebe zu den Armen, zu denen am Rande, die Lust an Güte, Gerechtigkeit und Erbarmen mit den Menschen. Eine große Weisheit: die Liebe und der Zorn Gottes.

Pastorin Susanne Ackermann
St. Johannis Dannenberg
9. Kalenderwoche