Ewigkeit schon jetzt (48. Kalenderwoche)

Gedanken zur Woche

Er ist noch nicht ganz sicher auf den Beinen. Erst vor kurzem hat er es gewagt, die Tischkanten loszulassen und seine ersten Schritte zu gehen. Allein. Ohne dass Mama oder Papa ihn halten. Und schon fällt er wieder hin. Auf den Popo. Doch diesmal ist er dabei mit dem Kopf an die Tischkante gestoßen. Das hat wehgetan. Tränen fließen. Weinen ist zu hören.
Aber die Mama ist in der Nähe. Sie nimmt ihn auf den Arm. Sie drückt ihn an sich. Sie wiegt ihn sanft. Und dann wischt sie die Tränen aus seinen Augen. Es wird wieder gut.

Gott wird abwischen alle Tränen aus ihren Augen. (Offenbarung 21, Vers 4)
Mit diesen Worten malt die Offenbarung des Johannes ein ganz besonderes Bild von Gott: Gott sieht. Gott sieht die Tränen, die geweint werden. Er sieht den Schmerz. Er nimmt die Verzweiflung wahr. Er spürt die Einsamkeit, die sich einstellt. Und geht nicht daran vorbei. Schaut nicht weg.
Sondern kommt heran. Kommt ganz nahe. Weil es so ist, dass wir Menschen einen brauchen, der so nahe kommt. Weil wir Menschen einen brauchen, der uns hält, wenn wir aus der Bahn geworfen sind. Weil wir Menschen es brauchen, zu spüren: Eine, einer ist jetzt nicht mehr da. Und doch bleiben wir nicht allein zurück.
Johannes malt uns Gott vor Augen als einen, bei dem wir geborgen sein können.
Johannes malt uns Gott vor Augen als einen, in dessen Nähe die Ahnung aufkeimen kann, dass es – trotz allem – wieder gut werden kann.

Dabei weiß Johannes: Noch gibt es Tränen. Noch gibt es Leid, Geschrei und Tod. Sie sind Teil unseres Lebens. Und sie werden hier auf dieser Erde Teil unseres Lebens bleiben. Solange, wie wir hier leben.
Der Tod bleibt da – in unserem Leben. Johannes weiß das.
Aber er will uns auch nicht auf eine Zukunft irgendwann vertrösten.
Er sieht die Hütte Gottes bei den Menschen. Er sieht Gott bei ihnen wohnen. Und er weiß: Seit Gott im Menschen Jesus sich ganz und gar auf unser Leben eingelassen hat, seitdem wird die Ewigkeit auch heute schon sichtbar.
Gott ist schon da in der menschlichen Hütte Jesus von Nazareth. Gott wischt schon Tränen ab. Immer dann, wenn ein Mensch so für einen anderen da ist. Immer dann, wenn sich eine wohltuende Nähe ereignet.

Gott wird abwischen alle Tränen aus ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein.
Johannes sagt uns: Die Ewigkeit hat schon begonnen. Da, wo Tränen abgewischt werden. Da, wo Nähe sich ereignet. Da, wo ich gehalten werde. Da, wo ich mich geliebt weiß.
Gott wird abwischen alle Tränen aus ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein.
Diese Ewigkeit beginnt schon jetzt.

Pastor Klaus-Markus Kühnel
St. Johannis Dannenberg
48. Kalenderwoche