Unser großes Licht
Am 18. März erschien das erste kleine Licht auf unserer Homepage und auf der des Kirchenkreises. Heute erscheint das 120. und letzte kleine Licht. Mitte März war es um viertel nach sieben schon stockdunkel, jetzt sind wir im Hochsommer. Vor vier Monaten rollte die Corona-Welle an und niemand wusste, was uns bevorstand. Heute sind wir geübt im Umgang mit Gesichtsmasken und Desinfektionsspray. Manch einer glaubt bereits, die Krankheit wäre überwunden.
Im März startete im Kirchenkreis eine Initiative: Um 19.30 Uhr sollte jeder eine Kerze ins Fenster stellen. Als Zeichen der Solidarität und Hoffnung, als Ermunterung für alle, die dieses kleine Licht in der Dunkelheit sehen. Ich dachte mir, da kann man doch noch mehr draus machen: Eine Viertelstunde für einen kleinen Text, eine Andacht, einen Gedanken. Einen kleinen Anstoß für den Glauben. Für das Vertrauen, dass Gott auch während der Pandemie, während Isolation und Unsicherheit bei uns ist. Jeden Tag eine Geschichte, ein Video, ein Foto, ein Lied, ein Stück aus der Bibel.
Vielleicht einen Monat lang oder zwei. Nun sind es fast vier Monate geworden. Nach einer kurzen Anlaufphase wurden die Kleinen Lichte von vielen Menschen regelmäßig angeschaut. Manche kamen, wenn in DaLaQui die Glocken läuteten. Manche lasen spät in der Nacht oder am frühen Morgen oder ab und zu und dann gleich viele Texte am Stück. Etliche Besucherinnen kamen hier aus dem Dorf, manche Besucher kamen aus dem Kirchenkreis und andere von weit weg.
Es war so etwas wie eine Corona-Online-Gemeinde, die viel größer war als die Zahl derer, die normalerweise sonntags in die Kirche kommen. Das war schön.
Schön war auch, dass ich das Gefühl hatte, mich austoben zu können: Mal eine Andacht über Zombies im Fernsehen. Eine über Madsen oder das Abschiedsvideo von David Bowie. Einmal das Altarbild meiner Heimatgemeinde in Unterlüß in DaLaQui zeigen. Fotos von einem Schachbrett für die eigenen Andachten schießen. Mal wirklich mit der Zeitung (oder tagesschau.de) in der einen und der Bibel in der anderen Hand predigen. In alten Radioandachten nach Brauchbarem stöbern. Alte erfundene und wahre Geschichten ausgraben.
Glücklicherweise haben die Schulen ihre Tore geschlossen. Vikarin Heike Sieberns kam aus dem Schulpraktikum in die Gemeinde zurück. Sie ist bei den Kleinen Lichtern eingestiegen und hat ihre Sichtweisen beigesteuert: Als Ostfriesin, als junge Theologin, Feministin, als begeisterte Geschichtenerzählerin, Musikliebhaberin. Als eine, die eine tolle Pastorin werden wird.
Ohne Heikes Beiträge hätte ich längst schlapp gemacht. Mir wäre die Puste ausgegangen. Außerdem wäre diese Reihe viel langweiliger, einseitiger und trister geworden. Danke fürs bewahren davor!
Trotzdem war es ein ehrgeiziges, vielleicht ein reichlich großkotziges Vorhaben: Jeden Tag eine neue Andacht. Jeden Tag ein neuer Gedanke. Möglichst einer, der nicht ist, wie all die anderen. Eine Woche fällt das leicht. Einen Monat vielleicht auch noch. Zwischendurch erscheint es unmöglich. Irgendwann wird es Routine, was Vorteile hat und dann auch wieder Gift ist.
Denn diese Lichter sollten ja nicht routinemäßig nur immer abgeliefert werden. Sie sollte von Herzen kommen. Und sie sollten mit dem Herzen aufgenommen werden. Und den beiden Bedingungen tut zu viel Routine nicht gut.
Ich habe es daran gemerkt, dass seit ein paar Wochen schon die Zahl der Klicks für die Beiträge und die Homepage langsam aber sicher weniger werden. Ebenso die E-Mails als Reaktion auf die Beiträge. Ebenso die Kommentare, die ohnehin eher ziemlich spärlich waren.
Vielleicht braucht man die Kleinen Lichter jetzt weniger, weil die Abende heller sind. Vielleicht haben wir alle Mittel und Wege gefunden, mit der Corona-Epidemie klarzukommen. Auf jeden Fall ist der Beginn der Sommerferien jetzt der Punkt, mit den kleinen Lichtern aufzuhören. Das hat auch damit zu tun, dass das normale Leben in der Kirchengemeinde nach den Sommerferien langsam wieder in die Gänge kommen wird.
Die Telefonandachten des Kirchenkreises werden weitergehen. Ebenso die Online-Gottesdienste. Angebote anderer Gemeinden. Bald werden Radio-Gottesdienste auf Radio ZUSA dazu kommen.
Auch die Gemeinden DaLaQui werden nach den Sommerferien wieder Angebote online stellen. Aber nicht mehr täglich. Und was das sein wird, ist noch nicht raus. Und ab und zu werden wir auch Sonntagspredigten auf unsere Homepage stellen. Aber nicht unbedingt an jedem Sonntag. Ihr könnt mir eine E-Mail an joergprahler@gmx.de mit dem Stichwort „Newsletter“ schicken, dann informiere ich euch, wenn sich wieder was Neues auf der Homepage tut.*
Ehrlich gesagt, haben mir diese Online-Aktivitäten mit ihren neuen Möglichkeiten auch viel Spaß gemacht.
Auf der Seite der Gemeinde werden die Kleinen Lichter weiter zu finden sein. Vielleicht guckt der ein oder die andere ja noch mal rein.
Und vielleicht nimmt sich der ein oder die andere auch weiterhin diese eine Viertelstunde am Tag für sich und für Gott. Zum Kraft aufnehmen. Zum Kopf klar kriegen. Zum Richtung finden. Zum immer wieder weiter leben.
Wir leben in wirren, rauen, manchmal auch beängstigenden Zeiten. Da kann ein Licht, das mir die Richtung weist, nie schaden. Denn um kleine Lichter oder ein bisschen Kerzenschein ist es letztlich nie gegangen.
Jesus Christus spricht: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umherirren, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Johannesevangelium, Kapitel 8, Vers 12.
Das einhundertundzwanzigste kleine Licht.
Bleiben Sie gesund oder werden Sie gesund.
Ihr Pastor Jörg Prahler.
* Im Laufe des Wochenendes kommt schon das erste Neue: Der neue Gemeindebrief wird online gestellt.
Das “kleine Licht” erscheint jeden Abend auf der Startseite von Evangelisch-im-Wendland.de und auf der Homepage der Kirchengemeinden Damnatz, Langendorf und Quickborn. Sie können diese Andacht, diesen Impuls oder Gedanken gut in ein Abendgebet einbauen. In Damnatz, Langendorf und Quickborn läuten dazu heute zum letzten Mal von 19.15 bis 19.20 Uhr die Glocken. Für das Abendgebet können Sie eine Kerze anzünden. Die Kerze können Sie danach um 19.30 Uhr auf ein Fensterbrett in Richtung Straße stellen. Das ist ein Zeichen der Hoffnung, dass sich zur Zeit ganz viele Menschen in Lüchow-Dannenberg gegenseitig geben.
„Meine Oma hat aber gar kein Internet”? Aber du! Es ist ausdrücklich erlaubt, diese Beiträge auszudrucken, zu verschicken, zu teilen oder zu verlinken. Gebt sie gerne an alle weiter, die sich darüber freuen und vor allem an die, die sonst keine Zugang dazu hätten.
Rückmeldungen, Fragen oder Anregungen gerne an joergprahler@gmx.de.
Vielen Dank für diese vielen interessanten Geschichten ! Ich habe mich die ganze Zeit gewundert, dass jemand über einen langen Zeitraum und fast täglich so viel schreiben und erzählen kann und es trotzdem nie langweilig wurde. Das ist toll!