Gorleben: Umgang mit dem giftigen Erbe
NDR 2 Moment mal Julia Heyde de López, Evangelische Radiokirche – Sonntag, 26. April 2020
Es brennt in den Wäldern rund um das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl. Die Bilder wecken Erinnerungen. Am 26. April 1986 kam es zum Supergau in dem ukrainischen Reaktor. Eine Katastrophe, die bis heute nachwirkt.
„Tschernobyl war mir ganz nah, als meine Tochter damals klein war, und sie durfte nicht im Garten spielen. Das rückt plötzlich durch die Bilder wieder näher. Wir spüren, dass die Dinge gar nicht so weit weg sind, weder in der Zeit noch im Raum, und dass es uns ganz unmittelbar betreffen kann.“
Sagt Eckhard Kruse. Atomkraft und ihre Gefahren – das ist für ihn ein Lebensthema. Er ist Pastor in der niedersächsischen Gemeinde Gartow, gleich neben Gorleben. Dort kam vor 25 Jahren, begleitet von Protesten, der erste Castortransport an. Atommüll, ein giftiges Erbe für alle nachkommenden Generationen.
„Das ist eine Dimension, die überschreitet wirklich alles menschliche Denken. Und was mich erschreckt, ist tatsächlich auch, dass so ganz einfache Fragen immer noch nicht geklärt sind, zum Beispiel: Da hat man einen Castorbehälter befüllt und von außen sind die natürlich in Ordnung, aber wie sieht’s eigentlich drinnen aus? Was passiert in solch einem Castorbehälter in so vielen Jahren?“
Gorleben ist Atommüll-Zwischenlager, und derzeit wird in Deutschland nach einem Standort für ein Endlager gesucht. Im September sollen bereits mögliche Regionen und Orte benannt werden. Doch nun sorgt die Coronakrise dafür, dass die betroffenen Bürger in dem politischen Prozess kaum vorkommen.
„Die Beteiligung der Öffentlichkeit ist ein ganz hohes Gut in dieser Sache, damit Vertrauen aufgebaut werden kann. Und zurzeit ist es nicht möglich, öffentliche Veranstaltungen zu machen. Das bereitet mir Kopfzerbrechen dabei, dass man sagt, wir müssen miteinander sprechen, die Bedenken aus der Bevölkerung ernst nehmen und dieser Dialog ist einfach im Moment nicht möglich, weil wir uns nicht treffen können.“
Deshalb hofft er, dass der Suche nach einem Endlager-Standort mehr Zeit eingeräumt wird. Und dass in dieser Zeit die Standortkriterien nochmal wissenschaftlich untersucht werden. In seiner Gemeinde wird Kruse weiterhin als Seelsorger und Vermittler unterwegs sein und zuhören, was die Menschen bewegt.
„Ich spreche immer mit allen Beteiligten. Das ist mir wichtig, ich habe zwar auch eine Position, aber die hindert mich nicht daran, mit allen immer wieder ins Gespräch zu kommen. Und das wurde von der Gemeinde auch sehr deutlich wahrgenommen.“
Die Frage nach dem Atommüll und den Gefahren der Atomenergie – sie ist dringend und braucht doch einen langen Atem. Und sie betrifft nicht nur die Menschen in Gartow, Gorleben oder Tschernobyl. Sondern uns alle.
Hier als Podcast: https://www.ndr.de/ndr2/Moment-mal,audio672830.html
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