21. April 2020 – Da möchte man doch …

Gedanken zum Tag

Entrüstung am Eingang zum Baumarkt. Ich schiebe meinen Einkaufswagen auf der falschen Spur, der Ausgangsspur statt der Spur zum Eingang. Auf dieser Seite wartet niemand. Und dennoch von irgendwoher auch mit Einkaufswagen tönt es empört: Da dürfen Sie nicht lang, das ist der Ausgang! Okay, okay, ich habe mich vertan. Ich ziehe meinen Wagen herüber und schiebe ab zum Eingang. Abschiebehaft. Gesicht zur Wand, Körperkontrolle. Beugehaft. Was weiß ich, aber das lag in dieser Empörung alles drin. Was wäre, wenn die Erbosten eine Waffe in der Hand gehabt hätten? Ich Verbrecherin. Ich Böse und wir andern die Guten. In der Zeitung ab und an eine kleine Notiz: Da war eine Familienfeier und die Nachbarn haben sie bei der Polizei angezeigt. Ja, gibt’s denn so was? Haben die noch alle beisammen? Es wird wieder denunziert? Die eigenen Nachbarn! Kennen wir doch noch, sagen die Alten aus der ehemaligen DDR. Niemandem darfst du vertrauen, auch nicht den eigenen Leuten. Aber so kann man doch nicht leben, ohne grundsätzliches Vertrauen in die Gesellschaft, in den Staat, in den Freundeskreis, in die Familie. Ohne Vertrauen kann man doch nicht leben.
Wer macht so was? Wer braucht so was – andere zu denunzieren und zu Recht zu weisen? Was nehmen sich die da heraus! Neid macht sich breit, was für Freiheiten sich andere herausnehmen! Ein braver Bürger hält sich an die Regeln und zeigt das auch allen anderen. Oder ist es die Angst, man könnte sich anstecken mit dem Virus oder doch mit Erbarmen und Freiheit? Diese selbsternannten Hüter der Ordnung. Das Leben ist dynamischer als es ihrer Ordnung entspricht und ein Virus ist es allemal.
Auf der anderen Straßenseite gehen ein paar Jugendliche, tuschelnd, lachend, laut. Die tun all das, was mit Abstand nicht geht. Auweia denke ich. Das geht doch nicht. Ich erschrecke über mich selbst. Da ist so ein Gefühl, ganz dicht unter der Oberfläche, das kenne ich nicht von mir und das möchte ich auch nicht haben. Denunziantentum. Meine Oma nannte das: Hebberechten. Rechthaberei. Recht haben um Recht zu haben. Man gut, dass sie mir eingefallen ist, meine selige Oma. Vielleicht war auch der liebe Gott dahinter. Und der ist dafür bekannt, dass er mal ein Auge zudrückt, gerade weil die Regeln gelten.

Pastorin Susanne Ackermann
St. Johannis Dannenberg
Dienstag 21. April 2020