Geschlossene Kirchen – offene Schnapsläden
Bald machen zumindest die kleinen Geschäfte wieder auf. Und die Kirchen – so sieht es wenigstens aus – bleiben erst noch einmal dicht. Kann das denn angehen? Ist Geschäfte aufmachen etwa wichtiger als in der Kirche Gottesdienst zu feiern?
Ich finde: Ja!
Ich meine, die Kirchen können für Gottesdienste auch noch für ein paar Sonntage geschlossen bleiben. Ich sage das, obwohl ich gerne Gottesdienste in der Kirche feiere. Obwohl mir der direkte Kontakt wichtig ist. Ich sage das, obwohl mir die Gemeinde sehr fehlt.
Aber ich ärgere mich jetzt auch gerade. Einzelne Christen oder Kirchenoberen, aber auch ganz andere Leute fangen gerade an zu drängeln: Die Kirchen sollen wieder aufgemacht werden. Weil ja auch Bücherläden aufmachen und Baumärkte und – ojemine – sogar Schnapsläden.
Müssten dann die Kirchen nicht erst recht oder nicht sogar noch schneller aufgeschlossen werden? Nochmals: Nein!
Mich ärgert diese Haltung, weil der Gottesdienst am Sonntag in der Kirche dadurch auf ein Podest gestellt wird. Er wird zu einem Symbol hochstilisiert.
Dabei können wir Christinnen und Christen doch auch ohne Kirchgebäude beten, Gottesdienste feiern und unseren Glauben leben. Jesus selber hat keine einzige Kirche aufgebaut. Und in den ersten Jahrzehnte funktionierte die junge Kirche sehr gut ohne ein einziges Kirchgebäude. Warum heute nicht mal für ein paar Wochen?
Geht es bei den Forderungen denn überhaupt wirklich um den Glauben und die christliche Botschaft? Ich glaube das fast nicht. Die meisten fleißigen Kirchgänger können auch ohne Probleme zu Hause fromm sein.
Oder soll zu Zeit einfach mal grundsätzlich betont werden, wie wichtig und wie lebensnotwendig die Kirche überhaupt ist? Wenigstens wichtiger als Baumärkte?
Manch einer, der jetzt für Kirchenöffnungen spricht, dem geht es gar nicht so sehr um offene Kirchen. Der nimmt vielleicht Corona sowieso nicht so ernst. Manch anderer ist allgemein oder grundsätzlich genervt, weil die Regierung seine Freiheiten einschränkt. Sogar dann, wenn es für andere unbedingt notwenidig ist. Von beiden Gruppen will ich mich nicht vor den Karren spannen lassen.
Der Sonntagsgottesdienst ist kein Symbol, um das ein Christ in dieser Lage zu kämpfen hätte. Ein Gottesdienst ist mehr als ein Symbol, sonst verdreht man seinen Sinn ins Gegenteil.
Das wird ganz gut im Neuen Testament erklärt. Im dritten Kapitel vom Markusevangelium: Jesus ist am Sabbat in der Synagoge. Er trifft dort einen Menschen mit einer verkrüppelten Hand. Und die Gegner von Jesus belauern ihn. Sie wollen sehen, ob Jesus den Kranken am Sabbat heilen wird. Und wenn ja, dann wollen sie ihn verklagen.
Da stellt Jesus den Mann in die Mitte: „Was ist am Sabbat erlaubt: Gutes tun oder Böses tun? Leben retten oder töten?“ Seine Gegner halten zähneknirschend den Mund und Jesus heilt die Hand des Mannes.
Kurz davor eine andere Szene. Wieder geht es um den Sabbat. Jesus sagt: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbat willen“.
Der Sabbat wie der Gottesdienst sollen den Menschen Gutes tun. Die Idee des Sabbats oder das Symbol des Gottesdienstes sind nicht wichtiger als das, was den Menschen tatsächlich gut tut.
Natürlich ist es gut, wenn wir gemeinsam Gottesdienst feiern. Aber es ist nur gut, wenn sich deswegen keiner in Gefahr bringt.
Wenn jetzt aber bald die Schulen und die ersten Geschäfte wieder aufmachen, dann werden sich wahrscheinlich auch wieder mehr Menschen anstecken. Ein Besuch in der Kirche ist da ein mögliches Risiko. Ein Besuch im Gottesdienst könnte gerade Ältere in Gefahr bringen. Muss das dann wirklich sein?
Wenn die Schulen und die Läden aufmachen, dann werden wir genau beobachten müssen, wie sich die Zahl der Kranken verändert. Muss in dem Augenblick also auch gleich die Kirche vorpreschen?
Viele Ladenbesitzer, auch Schnapsladenbesitzer, kämpfen jetzt schon um ihre Existenz. Viele können keine vier Wochen mehr warten. Sie wären dann pleite und die Geschäfte würden für immer zubleiben, Angestellte ihre Jobs verlieren. Ganze Familien würden in die Armut rutschen.
Aber bricht die Kirche zusammen, wenn sie sich jetzt nicht vordrängt? Wird ein Frommer unfromm, wenn er diese Andacht nur im Internet liest? Wenn er abends zu Hause mit seiner Familie betet, sonntags den Gottesdienst im Fernsehen schaut oder eine Predigt am Telefon hört? Wem die Gottesdienste in der Kirche wichtig sind, dem werden sie auch zwei Wochen später noch wichtig sein.
Wenn es für Menschen wieder gut und richtig ist, zusammenzukommen. Wenn die Gottesdienste wichtig sind, dann braucht die Kirche sich jetzt deswegen nicht wichtig zu machen. Irgendwann sind die Kirchen wieder auf und ich freue mich auf jeden, der kommt.
Das einunddreißigste kleine Licht.
Bleiben Sie gesund oder werden Sie gesund.
Ihr Pastor Jörg Prahler
Das “kleine Licht” erscheint jeden Abend auf der Startseite von Evangelisch-im-Wendland.de und auf der Homepage der Kirchengemeinden Damnatz, Langendorf und Quickborn. Sie können diese Andacht, diesen Impuls oder Gedanken gut in ein Abendgebet einbauen. In Damnatz, Langendorf und Quickborn läuten dazu jeden Abend von 19.15 bis 19.20 Uhr die Glocken. Für das Abendgebet können Sie eine Kerze anzünden. Die Kerze können Sie danach um 19.30 Uhr auf ein Fensterbrett in Richtung Straße stellen. Das ist ein Zeichen der Hoffnung, dass sich zur Zeit ganz viele Menschen in Lüchow-Dannenberg gegenseitig geben.
„Meine Oma hat aber gar kein Internet”? Aber du! Es ist ausdrücklich erlaubt, diese Beiträge auszudrucken, zu verschicken, zu teilen oder zu verlinken. Gebt sie gerne an alle weiter, die sich darüber freuen und vor allem an die, die sonst keine Zugang dazu hätten.
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