Gedanken zum Tag
Morgens in der Großstadt. Am Bahndamm in der Eilenriede sieht sie einen Fuchs. Die Stille macht ihn mutiger für die Menschengesellschaft. Wie still es ist, zeigt ihr ein Marder, der sich auch sehen lässt. Wie still es ist, hört sie am Zwitschern der Vögel. Mitten in der Stadt ein Jubelklang am Morgen. Ja, Stille ist nicht lautlos. Konzentration auf Eines, auf etwas, das man sonst in dem Vielen nicht hört – oder sieht.
Ohr-Heilung. Blindenheilung. Menschen wie gebannte Kaninchen starren sie auf neue Zahlen, gebannt von Corona, hören das Neue wie Hiobsbotschaften. Ohr-Heilung. Blindenheilung. Zum Herz erweichen.
Da bringen sie einen Menschen zu Jesus. Der kann nicht mehr sehen, sagen sie. Das ist schlimm, sagt Jesus. Was kannst denn nicht mehr sehen? Fragt er den blinden Menschen. Ich kann die Menschen nicht mehr sehen. – Wie, du kannst die Menschen nicht mehr sehen. Komm mal her, sagt Jesus und er rührt im Sand mit Spucke. Und legt ihm das auf die Augen. Kannst du jetzt was sehen? – Ich sehe sie wie Bäume. Wie Klötze. Wie Monster. Wie Tiere. – Das ist schlimm. Und Jesus berührt die Augen des blinden Menschen noch einmal. Kommt ganz dicht ran an ihn. Warum kannst du die Menschen nicht sehen? Erzähl doch mal. – Und der Blinde erzählt. Von Einsamkeit und vom Sich-Verlassen-Fühlen. Von Ruppigkeit. Die Kinder weit weg. Die Freunde auch. Beim Telefonieren kann man nicht in den Arm nehmen. – Das ist schlimm, sagt Jesus. Kannst du die Menschen denn sonst sehen? Sieh doch mal: Jeden Morgen bringt dir jemand die Zeitung ins Haus. Sieh doch mal, wie sie alles tun, damit du nicht krank wirst und andere krank machst. Und falls doch, sind sie gut vorbereitet. Sieh doch mal, die Kerzen in den Fenstern und das Beten, das dich umgibt. Sieh doch mal die Vögel unter dem Himmel und die Blumen, die sich durch die Erde strecken und Blühen. Sieh doch mal.
Da konnte er wieder sehen. (frei nach Markus 8,22-26)
Pastorin Susanne Ackermann
St. Johannis Dannenberg
26. März 2020