Pressemitteilung: landwirtschaftliche Demonstrationen

Der Propst des Ev.-luth. Kirchenkreis Lüchow -Dannenberg ruft die Beteiligten gesellschaftlichen Gruppe angesichts der aktuellen landwirtschaftlichen Demonstrationen im Bund und gerade in der Region zu friedensstiftenden Gesprächen an den runden Tisch zurück.

„Die Lösung liegt nicht mehr in der Rücknahme von Kürzungen, sondern braucht die Klärung im Verhältnis zwischen jenen die die Ernährung sichern und denen, die davon im letztendlich abhängig sind! Ziel muss die Suche nach neuen Haltung und nach mit Sinn gefülltem Handeln sein. “: sagt Propst Wichert-v. Holten nach vielen Gesprächen vor und während der Demonstrationen und als Konsequenz auch der binnenkirchlichen Diskussion über die Proteste.

Die Empörung über das menschliche fragwürdige, politisch und Demokratie gefährdende Verhalten in Aktionen und Symbolen im Umfeld der Proteste sind an den Propst herangetragen worden. „Dazu kann und darf Kirche nicht schweigen! Das gebietet selbst schon die Glaubwürdigkeit der Erntedankfeste und der Landverpachtungen im Kontext der Kirche!“, lauteten die Argumente in Gesprächen mit und außerhalb der Landwirtschaft.

Mit uns als Kirche in einer ländlichen Region repräsentiert kirchliche Arbeit beispielhaft das Zusammenleben im ländlichen Raum. Darin haben die landwirtschaftlichen Betriebe und deren Menschen eine gleichwertige und doch besondere Funktion bei der Lebensbewältigung in den Dörfern, die auf gegenseitiger Anerkennung und Würdigung aufbaut.

Nicht nur mit dem Erntedankfest begreifen wir als Menschen in unserem Zusammenleben unsere Abhängigkeit von gesicherter Ernährung und gelungenen Klima- und Umweltbemühungen, von denen wir niemals ablassen werden können. Der Erntedankdialog unter uns und als Gottesdienst gerade in Krisen helfen, dass der Segen Gottes nicht ins Leere laufen soll.

Erntedank ist kein Tag im Jahreskalender, sondern eine durch Dank und Krisen leitende Haltung!

Zum Ausdruck dieses wichtigen Gutes der Sicherung „unseres täglichen Brotes“ hat die Bundesrepublik gleich nach ihrer Gründung Steuerentlastungen als fiskalische Solidarität normiert wurden. Sie entstanden unter dem Eindruck des erlebten Kriegselends. Aktuell wird uns dieser Rückbezug durch die kriegerischen Konflikte und den Klimawandel in seiner unmittelbaren Wirkung auf uns wieder bewusst. Wir teilen das Einsehen, die Fülle der Herausforderungen nur solidarisch und gemeinschaftlich lösen zu können.

Als vormaliger kirchlicher Experte für agrarsoziale Fragen heraus und kritischer Begleiter der bäuerlichen Familien sieht der Propst, dass die zunächst beabsichtigten und dann in einen gestreckten Ausstieg umgewandelten Kürzungen beim Agrardiesel und der Besteuerung von landwirtschaftlichen Fahrzeugen von den bäuerlichen Familien wie ein Ausstieg aus dieser gesamtgesellschaftlichen Solidarität verstanden wird. Die Heftigkeit der Demonstrationen ist Ausdruck dafür. Die Kündigung dieser Solidarität ist auf nachvollziehbar verletzende Weise im Zuge einer Haushaltsentscheidung und nicht als gesellschaftspolitischer Konsens getroffen worden.

Propst Wichert-v. Holten erachten es als unabdingbar, in diesem Konflikt die Solidarität zwischen der bürgerlichen Gesellschaft und der Landwirtschaft neu und aussichtsreich zu bekunden. Dies sollte durch alle demokratischen politischen und gesellschaftlichen Kräfte außerhalb einer Haushaltsdebatte mit dem nötigen gemeinwohlorientierten Ernst und Willen geschehen.

Dies anerkennend hat er Verständnis dafür, dass die Landwirtschaft sich für Demonstrationen entschieden hat.

Mit größter Sorge aber betrachtet er, dass Aktionen von Einzelnen in und außerhalb der Landwirtschaft bewirken, selbst aus der die Gesellschaft tragenden Solidarität mit uns allen auszusteigen! Dazu gehören Aktionen, die den Protest nutzen, um gegen Einzelpersonen gewandte, den Frieden und den Respekt verletzende, Gewalt akzeptierende Symbolhandlungen u.a. in Form von „Ampel-Galgen“ zu vollziehen und jede die Demokratie bewusst gefährdende Aktion und Äußerung.

Die Distanzierung des Bauernverbandes und anderer landwirtschaftlicher Vertretenden von diesen Aktionen ist aber nur ein erster Schritt.

Es wird Aufgabe sein, auch die wieder an den Tisch zurückzuholen, die sich dem Friedensdienst im Protest zunächst versagt haben!

Gelänge dies, kann das ein Beispiel für die mittlerweile beängstigende Verrohung der gesellschaftlichen Umgangsformen wirken. Gerade den Menschen in der Landwirtschaft traut der Propst dabei eine große humane und politische Kompetenz zu, die vielleicht sogar dazu geeignet sein könnte, als Vorbild wirken können.

Die Demonstrationskultur im Wendland hat andere kreative und demokratiefördernde Vorbilder, zu der die Landwirtschaft selbst beigetragen hat.

Wir wollen als Kirche nicht tatenlos danebenstehen und rufen daher eindringlich zu friedlichen und die Demokratie stärkenden Formen des Protestes auf. Als Vermittler und Plattform in für die anstehende Grundsatzgespräche in der Region steht er, wie viele in der evangelischen Kirche insgesamt, wie die Fachdienste der Kirche zur Verfügung.

 

Lüchow, den 08.01.2024

Propst Stephan Wichert-v. Holten