Vorfreude und Hoffnung

Mitten in der von Haus aus eher traurigen Passionszeit heißt der morgige Sonntag „Lätare“ – zu Deutsch „Freuet euch!“. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Mehr als die Hälfte der Fastenzeit liegt hinter uns; der größere Teil des Weges ist geschafft. Das ist ein Grund zur Freude oder besser gesagt zur Vorfreude.

Vorfreude ist die Fähigkeit, sich schon zu freuen, obwohl der eigentliche Grund zur Freude noch gar nicht da ist. Vorfreude ist die Kunst, sich die angenehmen Folgen der Erfüllung vorzustellen und sich daran zu freuen – auch wenn sie tatsächlich noch aussteht.

So können sich Kinder schon wochenlang auf Weihnachten vorfreuen. So wächst bei mir die Vorfreude, wenn der Urlaub naht und ich mir schon einmal vorstelle, was ich in der freien Zeit tun kann oder wie es am Urlaubsziel sein wird.

In den vergangenen Monaten konnte einen schon das Gefühl beschleichen, dass wir alle ungewollt in einer Art Fastenzeit sind. Vieles von dem, was für uns zu unserem normalen Leben dazugehört hat, ist seit einem Jahr nur noch stark eingeschränkt möglich oder ganz untersagt gewesen. Konzerte, Sportveranstaltungen und Familienfeiern mussten kurzfristig abgesagt werden. Auch Gottesdienste waren zeitweilig davon betroffen. Und noch immer sind wir damit nicht durch. Noch eine ganze Zeit lang werden uns Einschränkungen und besondere Vorsichtsmaßnahmen begleiten.

Dennoch habe ich den Eindruck, dass es voran geht. Dass sich das Leben in den nächsten Monaten wieder „normaler“ anfühlen wird. Und darauf freue ich mich schon heute. Das ist ja das Schöne an der Vorfreude, dass dabei die Wirkung schon der Ursache zuvorkommt.

Dafür steht auch der morgige Sonntag Lätare. Er ist so etwas wie ein kleines Osterfest mitten in der Passionszeit. Geprägt von der Vorfreude auf Ostern. Von der Hoffnung auf die Auferstehung, auf neues Leben. Von der Hoffnung auf Jesus Christus, der gesagt hat: „Ich lebe und ihr sollt auch leben.“ (Johannes 14,19).

Pastor Bernd Paul, Küsten