Festgehalten werden
Und wieder ein Montag mit einer alten Radioandacht. Diesmal vom 23. März 2018. Die Andacht lief auf NDR1 Niedersachsen in der Reihe „Zwischen Himmel und Erde“. Jetzt geht’s los:
„Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“
Eigentlich wollte ich nur kurz in den Kinderwagen gucken und fertig. Eigentlich habe ich gar keine Zeit für so was. Aber einfach vorbeilaufen an der frisch gebackenen Mutter kannst du ja auch nicht.
Also kurz stoppen. „Hallo, wie geht‘s denn euch beiden?“ Sie kennt das schon, schiebt die Decke ein bisschen weg, damit man überhaupt irgendwas sehen kann. „Das ist Jonas!“ „Aha“, sage ich. Dicke Mütze, Fisselhaare, ein kleines rotes Gesicht und diese winzigen kleinen Fingerchen. „Süß!“
Ein Blick zur Mutter, was sie davon hält. Dann schiebe ich meinen Zeigefinger in Richtung Baby. Ein bisschen Hutzidutzi machen. Mama lächelt, ich geh näher dran. „Hutzidutzi.“ Da schnappt Jonas zu. Seine winzigen Finger umklammern meinen großen. Und sie halten ihn ganz fest.
Ich habe mal gehört, man kann so kleine Kinder an eine Wäscheleine hängen. Nicht, dass ich das schon einmal ausprobiert hätte. Aber sie haben so viel Kraft in den Fingern, dass sie ihr eigenes Gewicht damit halten können. Das stammt noch aus der Zeit unserer haarigen Vorfahren, als die Neugeborenen sich im Fell ihrer Mami festgekrallt haben. Oder jetzt eben an meinem Finger.
Ich versuche wieder loszukommen, aber der Griff ist fest. Ich muss ein bisschen lachen. Die Mutter auch. „Das macht er immer“, sagt die Mutter. Also bleibe ich stehen. Jonas schnieft und er guckt und er rümpft die Nase. Er ist wirklich sehr süß.
Ein kleines Baby in seinem Kinderwagen. Rundrum tobt das Leben. Und rundrum wogt die Welt, wovon Jonas aber gar nichts mitbekommt. Er liegt unter seinen Decken und sucht ein bisschen Halt. Und den nimmt er sich. Er hält sich fest mit seinen kleinen Händen bei einem Fremden. Wer so gerade da ist. Und es sieht fast so aus, als würde er schon wieder einschlafen.
Und ich, ich merke dass er nicht nur meinen Finger fest im Griff hat. Sondern längst schon auch mein Herz.
Ich will gar nicht mehr weiter. Zum meinem Termin werde ich wohl zu spät kommen, aber das ist mir egal. „Ich bin festgehalten worden“, werde ich sagen. Und das fühlt sich gut an.
„Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“
Das einhundertundvierte kleine Licht.
Bleiben Sie gesund oder werden Sie gesund.
Ihr Pastor Jörg Prahler.
Das “kleine Licht” erscheint jeden Abend auf der Startseite von Evangelisch-im-Wendland.de und auf der Homepage der Kirchengemeinden Damnatz, Langendorf und Quickborn. Sie können diese Andacht, diesen Impuls oder Gedanken gut in ein Abendgebet einbauen. In Damnatz, Langendorf und Quickborn läuten dazu jeden Abend, außer am Wochenende von 19.15 bis 19.20 Uhr die Glocken. Für das Abendgebet können Sie eine Kerze anzünden. Die Kerze können Sie danach um 19.30 Uhr auf ein Fensterbrett in Richtung Straße stellen. Das ist ein Zeichen der Hoffnung, dass sich zur Zeit ganz viele Menschen in Lüchow-Dannenberg gegenseitig geben.
„Meine Oma hat aber gar kein Internet”? Aber du! Es ist ausdrücklich erlaubt, diese Beiträge auszudrucken, zu verschicken, zu teilen oder zu verlinken. Gebt sie gerne an alle weiter, die sich darüber freuen und vor allem an die, die sonst keine Zugang dazu hätten.
Rückmeldungen, Fragen oder Anregungen gerne an joergprahler@gmx.de.