
Wenn Stephan Wichert-von Holten im Januar nach Hannover geht, endet in Lüchow-Dannenberg eine Ära – und zugleich beginnt eine neue. Seit 2008 hat er den Kirchenkreis geprägt, in einer Zeit, in der Zusammenhalt und Veränderung nicht immer einfach, aber dafür umso nötiger waren. Nun zieht es ihn ins Landeskirchenamt, wo er künftig als Referent für Transformationsprozesse Gemeinden und Kirchenkreise auf ihrem Weg in die Zukunft begleiten wird. „Ich bin noch nicht fertig mit dieser Kirche“, sagt er. „Ich möchte helfen, sie aus sich selbst herauszuführen – dahin, wo sie den Menschen auf der Straße begegnet.“
Schon als er vor 17 Jahren nach Lüchow kam, stand die Kirche im Wandel. Die Fusion der Kirchenkreise Lüchow und Dannenberg war gerade vollzogen, vieles war neu. „Ich hatte zwei Vorgänger – und die Aufgabe, aus den beiden Kirchenkreisen eine lebendige Einheit zu machen“, erinnert sich Wichert-von-Holten. Was ihn damals beeindruckte, war die Haltung der Menschen: „Niemand sagte: ‚Jetzt sind wir fertig.‘ Alle sagten: ‚Jetzt geht’s erst richtig los.‘“
Diese Offenheit, das gemeinsame Ausprobieren, ist für ihn bis heute die eigentliche Stärke des Wendlands. „Wenn hier etwas schiefgeht, macht man etwas anderes. Es gibt eine große Selbstkompetenz und keine Angst, neu anzufangen.“ Gerade das sei ein entscheidender Grund gewesen, warum der Kirchenkreis Lüchow-Dannenberg trotz knapper Ressourcen nie den Mut verloren habe. „2012 hätten wir nach den Maßstäben der Landeskirche eigentlich nicht mehr existieren dürfen – zu klein, zu wenig Leute. Aber wir haben nicht um Geld gebeten, sondern um Erlaubnis, etwas auszuprobieren. Und daraus wurde Erfolg.“
Nun steht wieder ein solcher Umbruch bevor: Die Fusion mit den Kirchenkreisen Uelzen und Lüneburg. Für Wichert-von-Holten ist das kein Déjà-vu, sondern ein neuer, notwendiger Schritt. „Ich kam nach der letzten Fusion – und gehe, während die nächste vorbereitet wird. Damals wie heute geht es nicht ums Zusammenlegen, sondern ums Zusammenwachsen.“
Dabei ist ihm wichtig, dass die Kirche sich nicht in Strukturen verliert, sondern in Beziehungen. „Man kann Distanzen nicht mit Autos überwinden, nur mit Vertrauen. Fusion gelingt, wenn man sich begegnet.“ Das Bild, das ihn dabei begleitet, ist das der Wanderung: „Wir sind ein wanderndes Gottesvolk. Wir müssen die Wanderstiefel anziehen, mit leichtem Gepäck aufeinander zugehen und vorher den Rucksack ausschütten.“
Der künftige Aufgabenbereich in Hannover knüpft an diese Haltung an. Wichert-von-Holten soll helfen, kirchliche Transformationsprozesse zu gestalten – Brücken zu bauen zwischen Tradition und Aufbruch, zwischen Ortsgemeinden und neuen Formen kirchlichen Lebens. „Es geht nicht darum, dass Menschen zu uns kommen, sondern dass Kirche zu den Menschen geht“, sagt er. „Kirche gehört dahin, wo sie mit anderen etwas tut, nicht da, wo sie allein groß und herrlich ist.“
Im Gespräch betont er den Mut zum Loslassen. Veränderung, sagt er, brauche Klarheit – und Vertrauen. „Wir verwechseln manchmal den Mond mit der Sonne, weil wir in unserer Verzweiflung Licht brauchen. Aber ehrlich zu bleiben, heißt, die Dinge beim Namen zu nennen und die Mauern, die uns trennen, zu durchdringen.“
Dass er diesen Weg nun nicht mehr von Lüchow aus, sondern in landeskirchlicher Verantwortung begleitet, ist für ihn folgerichtig. „Ich bin Flüchtlingskind – ich muss immer noch einmal losgehen – und ich wünsche meiner Nachfolge, dass sie denselben Gestaltungsraum bekommt wie ich damals. Ich halte jetzt meine Klappe und vertraue darauf, dass die Leute mit dem, der oder die neu kommt, ihren Weg gehen.“
Seine Aufgabe endet, aber vielleicht ist es doch kein Abschied für immer: „Vielleicht komme ich eines Tages zurück. Dann aber nicht als Propst, sondern einfach als Mensch unter Menschen. Und das wäre ein schönes Geschenk.“
Die Langfassung des Gesprächs können Sie hier nachlesen.
