“Wir müssen reden! – wenn man diese Worte hört, ahnt man meist nichts Gutes: ein Problem, das vielleicht zu lange aufgeschoben wurde, kann nun nicht mehr ignoriert werden, man muss sich damit beschäftigen, auch wenn es unangenehm wird. Und man ärgert sich vielleicht, weil man früher damit hätte anfangen sollen, denn wenn es erst einmal so weit gekommen ist, redet man oft nicht mehr miteinander, sondern nur noch übereinander.
Wenn ich mir anschaue, wie wir in unserer Gesellschaft Probleme verhandeln, dann kommt es mir so vor, als wären wir oft schon dabei übereinander zu reden, bevor wir überhaupt probiert haben, miteinander zu reden. Gerade auf Social Media Plattformen ist man schnell dabei, andere als „Schlafschafe“ oder „Covidioten“ zu bezeichnen, als „Lumpenpazifisten“ oder „Kriegstreiber“ oder was auch immer gerade die passenden Abwertungen in einer Debatte sind. Wenn man dann mal nachfragt, ob diese Abwertungen wirklich sein müssen, hört man oft, dass die andere Seite es ja nicht anders versteht. Miteinander reden mache keinen Sinn. Aber übereinander (schlecht) reden schon?
Jesus hat auf seinen Reisen viel diskutiert und sich auseinandergesetzt: mit seinen Jüngern, mit den Menschen, die ihn gesucht haben, und ganz besonders intensiv mit den Priestern und Schriftgelehrten. Die kommen in den Evangelien deutlich schlechter weg, als angemessen wäre, aber in dem Fall zeigt uns das dafür umso deutlicher, dass die Bibel zeigen wollte, dass Jesus auch mit ihnen im Dialog bleibt. Er macht nicht einen auf billige Polemik, die seine „Follower“ vielleicht „geliket“ hätten. Auf der anderen Seite wird er aber auch nicht etwa beliebig oder geht falsche Kompromisse ein, um von allen gemocht zu werden – nein, in der Sache bleibt er konsequent, und da, wo es nötig ist auch hart und bisweilen emotional. Aber er bleibt im Gespräch.
Ich wünsche mir, dass wir in den Auseinandersetzungen, die uns umtreiben, bei aller vielleicht nötigen sachlichen Härte diesen menschlichen Blick auf die Person gegenüber nicht verlieren. Und vielleicht hier und da auch in vermeintlich verfahrenen Auseinandersetzungen den ersten Schritt zu machen, anstatt darauf zu warten, dass die anderen ihn tun.
Frederik Holst
Diakon aus Kolborn